Als die Lehrerin Anja überraschend früh von der Chorprobe heimkehrt,
überrascht sie ihren Mann Gernot mit einer anderen Frau. Anja rastet aus,
verlässt ihren Mann und versackt fortan in einem mehr als deprimierenden Leben
als Sudoku-Junkie. Anjas und Gernots Ehe war ungewollt kinderlos geblieben.
Durch die Trennung von Gernot muss Anja sich nun endgültig damit abfinden, dass
es für sie mit fast 40 Jahren wohl keinen Traum-Mann und auch kein Traum-Baby
mehr geben wird. Anjas Leben erhält noch einmal unerwarteten Schwung, als sie
die Einliegerwohnung von Patrick Bernat mietet, dessen Sohn Manuel Anjas
Schüler ist.
Als Anjas Kollegin Birgit schwanger aus dem Frankreich-Urlaub zurückkehrt, hat
die eifersüchtige Anja nichts besseres zu tun, als ihren Ex-Mann Gernot der
Vaterschaft zu bezichtigen. Beschuldigungen und Verdächtigungen eskalieren zu
einem undurchdringlichen Chaos. Schließlich drückt Birgits Mann Steffen Anja
das Baby Victor wutentbrannt in den Arm, es kommt zu zwei verschwundenen
Elternteilen, zwei unterschiedlichen Vaterschaftsgutachten und einem zu Schrott
gefahrenen Auto. Nach dem Muster zwei Männer, eine Untermieterin und ein Baby
entwickelt sich das Beziehungs-Drama zu einer sommerlichen Idylle mit dem
ergrauenden Patrick in der Rolle des rührenden Pflegevaters, dem charmanten
Manuel als talentiertem Babysitter und Anja, der ehemals launischen Nervensäge
mit "ablaufenden Verfallsdatum".
Fazit
Ingrid Noll hat in ihrer spannenden gesellschaftskritischen Erzählung ein
üppig bevölkertes Patchwork-Durcheinander mit meist abwesenden Müttern
kreiert, dessen Auflösung die Leser nicht überraschen kann. Die sympathischen
Rollen des Buchs sind von Männern besetzt, allen voran der kleine Victor, der
im besten Alter ist, um die Herzen aller Leser zu erobern. Anjas überzogen
spießige Art stellt die Geduld der Leser auf eine harte Probe. Die drastische
Schilderung von unerfülltem Kinderwunsch und der Hoffnung auf spätes
Mutterglück kann man als grenzwertig empfinden. Jeder bekommt von Ingrid Noll
sein Fett weg - in ihren ersten Büchern die mordenden Alten - nun eben die
40-Jährigen, deren biologische Uhr gerade abgelaufen ist. Noll lästert
gnadenlos, doch sie bewertet nicht, gibt lieber Einblick in Motive und Gefühle
ihrer Figuren und weckt so Verständnis für sie.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 16. August 2008 2008-08-16 21:00:08