Wer schon versucht hat, Kindern oder Jugendlichen politische und wirtschaftliche
Zusammenhänge zu erklären, weiß, dass das nicht einfach ist. Unter
Federführung des Wirtschaftsredakteurs Detlef Gürtler entstand in
Zusammenarbeit mit der Redaktion der Tagesschau ein Wissensbuch zum Thema
Wirtschaft. Es gliedert sich in die sechs Haupt-Kapitel Markt, Geld,
Unternehmen, Konjunktur, Arbeit und Weltwirtschaft. Eine Einleitung führt
zunächst ins Thema ein; am Buchrand sind im Wortlaut Tagesschau-Meldungen
abgedruckt, die die Aktualität des Themas hervorheben. Auf die Einführung
folgen jeweils circa zwanzig Stichworte, Texte im Umfang einer Buchseite, die
Begriffe wie Preis, Wettbewerb, Währung oder Zinsen erläutern. Zu kursiv
gedruckten Begriffen lassen sich ausführliche Erklärungen mit Hilfe des sehr
umfangreichen Registers auffinden. Zusätzlich zu Begriffsbestimmungen, der
Vorstellung markanter Persönlichkeiten und ihrer Theorien wie Karl Marx, Henry
Ford, Adam Smith und Bismarck äußern sich die Autoren auch zu kontroversen
Fragen wie staatlichen Monopolen in der Energieversorgung, der
Heuschrecken-Diskussion im Zusammenhang mit Private-Equity-Unternehmen und zu
Auswirkungen der Globalisierung. Die gewählten Beispiel stammen zumeist aus dem
Erfahrungsschatz Jugendlicher. Ein besonders gut gelungenes Beispiel zeigt die
Bedeutung von Importen und Exporten für die deutsche Wirtschaft auf. Im Kapitel
über betriebliche Ausbildung hätte die Lebensrealität von Jugendlichen
stärker berücksichtigt und das Thema Betriebsrat praxisbezogener erläutert
werden können. Auch der sinkende Einfluss von Betriebsräten und Gewerkschaften
in Zeiten von Leih- und Zeitarbeit hätte besser begründet werden können.
"Die Tagesschau erklärt die Wirtschaft" macht in Gestaltung,
Themenauswahl und durch die Nutzung des Markenzeichens Tagesschau äußerlich
einen positiven Eindruck. Den Autoren gelingt es nicht konsequent, für eine
jugendliche Zielgruppe so verständlich wie möglich zu formulieren und alle
genutzten Begriffe auch im Buch zu erklären. Ein Leser, der den Begriff
"abdiskontieren" nicht nachschlagen muss, benötigt vermutlich erst
gar kein Sachbuch zum Thema Wirtschaft. Die Stichwort-Artikel zur
Begriffs-Definition werden ähnlich wie Magazinbeiträge zunächst in flottem
Ton anmoderiert, ehe im weiteren Text der Begriff im Zusammenhang erklärt wird.
Der teils ironische Tonfall und auch der Boulevard-Stil, in dem in einigen
Fällen ein moralisches Urteil des Verfassers über die geschilderten
Zusammenhänge vorweg genommen wird, eignen sich für Sachbuch-Texte weniger.
Hier wären mir konkrete Fakten lieber, die den Lesern eine eigene moralische
Beurteilung ermöglichen. Die Begriffe "Unternehmer, Betrüger und
Umweltverschmutzer" ohne weitere Erklärung in einem Satz zu verwenden,
finde ich für ein Sachbuch unpassend. Missverständliche, reißerische
Formulierungen wie "für den Profit über Leichen gehen, fürstlich
verdienen, im Geld schwimmen, die Mitarbeiter werden reich, Fabriken machen
Lärm und Dreck" zeigen eine wenig zeitgemäße Vorstellung der Autoren
von der Arbeitswelt.
Fazit
"Die Tagesschau erklärt die Wirtschaft" spricht in einigen gelungenen
Artikeln jugendliche Leser ab 15 Jahren an und erläutert wirtschaftliche
Zusammenhänge verständlich. In einem Sachbuch wünsche ich mir eine stärkere
Trennung zwischen Information und Meinung.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 07. August 2008 2008-08-07 14:55:25