Eine Biographie über den Stauferkaiser Friedrich (Roger) II. zu schreiben ist
ein Wagnis. Zum einen ist diese (geniale) Persönlichkeit nur sehr schwer aus
der Ferne unserer Zeit zu beurteilen. Andererseits existiert bereits eine
brilliante (allerdings bereits über 70 Jahre alte) Biographie über das
"Erstaunen der Welt" (Stupor Mundi): Ernst Kantorowicz "Friedrich
II." (2 Bde.), die unvergleichbar quellennah und stilistisch hervorragend
geschrieben ist, auch wenn Kantorowicz viele seiner Standpunkte, nach der
Instrumentalisierung der Staufeherrscher in der NS-Zeit, korrigiert haben
wollte.
Stürner schreibt auch eher eine Ansammlung von Essays über wichtige Themen
rund um das Leben Friedrichs II. So wird sein normannischer und staufischer
Hintergrund ebenso beleuchtet wie viele spezielle Teilabschnitte (Verwaltung des
Regnum Sicilie, Verwaltung der staufischen Hausgüter in Deutschland, wichtige
Helfer, Gerichtsbarkeit, Kultur am Hofe etc). Herausgekommen ist ein
unverzichtbares Kompendium für jeden, der sich professionell mit der Zeit
dieses genialen und doch so zwiespältigen Herrschers beschäftigen will.
Stürners zweibändige Biographie (hier Teil 1, Teil 2:
Friedrich II., Bd.2, Der Kaiser 1220-1250) ist sehr quellennah
verfasst, mit zahlreichen Quellen- und Literaturverweisen in den Fußnoten und
einer ausgezeichneten Bibliographie. Selbstverständlich wird auch auf die
Person Friedrich an sich behandelt, doch gerade die Behandlung von Teils sehr
spezialisierten Teilaspekten rund um Friedrich II. machen den Wert dieser
zweibändigen Biographie aus. Es ist daher ein Jammer, dass kaum jemand in
Deutschland den 750. Todestag Friedrichs 1995 wahrgenommen hat - war er doch
ohne Zweifel einer der größten deutschen Kaiser des Mittelalters und seine
Zentralisierung Unteritaliens sollte bis in die Neuzeit fortwirken. Sein Tod
hatte in Deutschland weit schwerere Folgen, denn bald darauf brach die
Zentralgewalt in Deutschland zusammen - der Beginn eines neuen deutschen
Sonderwegs, der ansonsten vielleicht zum Nationalstaat geführt hätte und so
Europa das deutsche Dilemma erspart hätte. In Italien hingegen wurde sein Tod
mit vielen Festakten begangen und zahlreiche wissenschaftliche Konvents
abgehalten. Doch kann diese Biographie ihren Teil dazu beitragen, den Enkel
Barbarossas in neuem Licht zu sehen.
Fazit
Einzig wirklicher Kritikpunkt dieser äussert detaillierten Biographie - die,
wie bereits gesagt, auch viele Aspekte der Zeit Friedrichs II. beleuchtet - ist
der sehr nüchterne, ja teils trockene Schreibstil den Stürner pflegt, ganz im
Gegensatz zu Kantorowicz. Allerdings betreibt er auch keine Glorifizierung im
Stil desselben. Kurz: eine briliante Abhandlung - auch wenn ich eine
Auseinandersetzung mit der Kaiseridee Friedrichs II. vermisse, doch dafür gibt
es schließlich Gunther Wolfs Sammelband "Stupor Mundi".
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
[Profil]
veröffentlicht am 10. April 2003 2003-04-10 18:17:16