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Martin Mosebach: Die Türkin

Die Türkin

von Martin Mosebach
Verlag: dtv [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-423-13674-7

Preis: 2,94 Euro bei Amazon.de [Stand: 20. November 2024]
Der junge Mann aus Frankfurt hat ein Oberhemden-Problem. Seine Wäscherei liefert die gebügelten Hemden auf Bügeln hängend - und nicht zusammengelegt, wie er es viel angenehmer fände. Statt dieses Problemchen aus der Welt zu schaffen, verliebt der Ich-Erzähler sich in Jasmin, "die kleine Türkin" aus der Wäscherei. Jasmins Onkel Hüssein, dem die Wäscherei gehört, hat eigene Pläne mit seiner Nichte und schickt sie zur Familie in die Türkei. Unser promovierter Kunsthistoriker sitzt im Prinzip auf gepackten Kisten, um eine Stelle im New Yorker Antiquariat Hirsch anzutreten. Seine Gedanken sind jedoch beherrscht davon, dass Jasmin unglücklich sein wird und nur er ihr Zuflucht bieten kann. Kurz entschlossen lässt er sein Ticket nach New York verfallen und bucht einen Flug in die Türkei, ohne genaue Vorstellungen davon, wie er Jasmin seine Liebe gestehen soll.

In der Türkei angekommen, profitiert der schnell entschlossene Reisende davon, dass im Heimatort Jasmins, der ehemaligen griechischen Stadt Sidyma am Rand des Taurus, schon immer Archäologen tätig waren. Die Familie, bei der ein Zimmer mietet, lässt er in dem Glauben, er sei nur wegen ein paar alter Steine in der Gegend von Girmeler. Jasmin wird von ihrer Familie Pupuseh genannt, für den Ich-Erzähler von nun an Pumphöschen. Aus der berufstätigen Großstädterin wird in den Augen des Besuchers ein kindlich-unselbstständiges Wesen, ein angebetetes Kunstwerk. Die Pumphosen, die in der Region getragen werden, verstellen dem jungen Mann auf Freiersfüssen völlig den Blick für die Realität. Für die schönen Dinge hat unser Einserabiturient unbestritten einen Blick. Seine elitäre Sprache und seine Herablassung gegenüber der restlichen Welt lassen streckenweise zweifeln, ob wir es tatsächlich mit einem jungen Mann und nicht mit einem leicht starrsinnigen, pensionierten Kunsthistoriker zu tun haben. Er kann zwar die Landschaft würdigen und bekommt auch mit, dass einige junge Männer im Dorf eine groß angelegte Forellenzucht planen, doch seine Gedanken drehen sich zwanghaft um die Körperteile, die sich unter Pumphosen verbergen. Nie kommt der liebevoll umsorgte zahlende Gast auf die Idee, sich seine Zukunft als Schwiegersohn in einer Großfamilie der Schafzüchter, Forellenzüchter und Tomatenbauern konkreter auszumalen. Palm, ein deutscher Archäologe, der in Girmeler arbeitet, weist den Besucher zwar auf die Sitten der Gegend hin, scheitert jedoch daran, den Verliebten auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuholen. Der erlebt Familien- und Dorfleben aus erster Hand mit, doch er kann nicht wahrnehmen, was er sieht.

Ein geschickt inszenierter Schluss versöhnt den Leser, dessen Geduld der Büchner-Preisträger mit seinem staubtrockenen Sonderling bis hierhin auf eine harte Probe gestellt hat. Der Titel "Die Türkin" mag die falsche Leser-Erwartungen wecken, dass im Mittelpunkt von Mosebachs Roman die Persönlichkeit einer Frau steht. Jasmin bleibt bis zum fulminanten Schluss leider nur Projektionsfläche für die Türkei-Klischees ihres Verehrers aus Frankfurt.
Fazit
Martin Mosebach schildert auf hohem literarischen Niveau und deutlich ironisch überzeichnet die aussichtslose Liebe eines schwer erträglichen, weltfremden Schreibtisch-Menschen.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne

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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 23. Juli 2008

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