Glaubt man dem Inhaltsverzeichnis, fehlen mir in meinem Buch vierzig Seiten. Das
angegebene Kurzportrait befindet sich bei mir auf Seite 159, ebenfalls wie die
Quellenangaben. Im Inhaltsverzeichnis sind dafür jedoch die Seiten 199 und 200
vorgesehen. Aber vielleicht gehört das noch zum Konzept und ich träume das
alles. Und auf Seite 95 gibt es ein kleines Leseproblem.
Tobias Bachmann schreibt selbst in seinem Nachwort, er werde sehr oft als
Träumer bezeichnet. Diese Bezeichnung mag sogar zutreffend sein, wenn man diese
Kurzgeschichtensammlung von zehn seiner Erzählungen betrachtet. Lediglich drei
der Erzählungen waren bereits veröffentlicht, der Rest ist für den Leser
wahres Neuland. Was mir als Leser sehr gut gefiel, war die Möglichkeit eine Art
Mischung aus Fantasy und Grusel zu lesen, die weniger auf gewalttätigen
Splatter setzt, sondern sich darauf beschränkt, ein Stimmungsbild zu zeichnen,
in den eben der Leser eintaucht und den wenig ausgetretenen Pfaden des Autors
folgt. Greifen wir die erste Erzählung auf, die den Titel Traumfänger trägt,
erfahren wir als erste nichts. Es eine Art Einleitung, die Vorbereitung auf den
Traum, der Eingang zur Tiefschlafphase. Um in die folgende erste REM-Phase zu
treten, muss man nur der Erzählung Novalis Traum folgen. Professor von Bülow
schickt nach Herrn Novalis, weil er eine Apparatur entwickelte, die in der Lage
sei Träume aufzuzeigen und sogar selbst zu entwickeln. Diese Apparatur reizt
natürlich den Freiherrn, der sich ausführlich mit den Träumen an sich und dem
Vorgang insbesondere auseinander setzt. Es folgt eine
philosophisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung, in der sich die beiden
Männer intensiv mit dem Thema beschäftigen. Gleich darauf werden wir in die in
zehn Kapitel unterteilte Erzählung Nine Inch Nails gerissen. Mit einem Zitat
der Musikgruppe beginnend finden wir uns in einem Traum wieder, der nie zu enden
scheint und von einem Traum in den nächsten überzugehen scheint. Die Frage die
sich dem Leser und damit auch dem handlungsträger Mettmann stellt ist, wird die
Selbstphälung helfen? In der Erzählung Sonnenfeuer wird bereichtet, wie Kinder
einen Mann namens Bertold Scholz bei Tageslicht aus dem Haus locken, der sich
dann im Glanz der Sonne selbst entzündet. Ein Wissenschaftler untersucht das
fragliche Haus, da am Todestag von Berthold Scholz immer wieder Kinder
verschwinden, aber niemand wagt, das Haus zu betreten. Was sich dann ereignet,
scheint ein böser Alptraum zu sein. In Die Treppe lernen wir jemanden kennen,
der den Alptraum gepachtet hat. Er muss einer Treppe hinab folgen, Stufe für
Stufe, Schritt für Schritt. Aber er erreicht sein Ziel nie. Oder doch?
Vielleicht sollten wir freiwillig Die Anstalt des Doktor Ambrosius aufsuchen?
Allerdings fällt die Anstalt, wie auch das Haus von Berthold Scholz einem Feuer
zum Opfer. Der folgende Besuch im Rhesus-Club sollte wirklich nur den
erlesensten und ausgesuchtesten Clubmitgliedern vorbehalten bleiben. Die
Überraschung, ein Gründungsmitglied kennen zu lernen, steht Hermann ins
Gesicht geschrieben. Wenn wir uns den Türen der Vergangenheit nähern, muss ich
an Die Treppe denken. Dort öffnete sich keine Tür und hier sind es Türen, die
sich öffnen, wenn Wahnsinn auf klaren Verstand trifft. In all den Geschichten
fühlte ich mich als Beobachter. Der Leser der alles wie in einem Traum
betrachtet, aber keinerlei Möglichkeit sieht, einzugreifen. Ähnlich geht es
dem Observer, in der gleichnamigen Erzählung. Man beobachtet, wird beobachtet,
wird beim beobachten beobachtet. Und ist der Leser der Beobachter, oder ist der
Leser der Beobachtete? In Alle Jahre wieder finden wir uns im Monat der
Überraschungen wieder. Eine Weihnachtserzählung der ganz besonderen Art.
Fazit
Die Geschichten des Tobias Bachmann haben etwas unwirkliches an sich. Damit
kommen sie den traumähnlichen Zuständen sehr nahe. Zehn abwechslungsreiche
Erzählungen greifen immer mal wieder auf eine der vorhergehenden oder
nachfolgenden Geschichten zurück oder greifen vor. Im Grossen und Ganzen kann
man Tobias Bachmann durchaus mit Edgar Allen Poe, den er selbst zitiert und mit
Howard Philip Lovecraft vergleichen. Ähnlich diesen Vorbildern setzt er auf die
Kraft des Wortes und der damit heraufbeschworenen Beschreibung, weniger auf
blutige Gräuel.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 10. Juni 2008 2008-06-10 09:55:25