Das vorliegende Buch von Josephine Tey hat mich sehr beeindruckt. Die Autorin,
die ja auch in der DuMont Kriminalbibliothek vertreten ist (etwa mit "Die
verfolgte Unschuld") hat hier - meines Erachtens jedoch - keinen Krimi,
sondern einen historischen Roman vorgelegt. Ähnlich wie neuere Biographien
über Richard III. (etwa Andreas Kackhoff: "Richard III." von 1980
oder
Gisbert Kranz in:
"Warum wurden sie Despoten?" (1992) mit einem biographischen Abriss
über Richard dem III.) ist die Autorin davon überzeugt, dass die Nachfolger
Richards III., insbesondere die Tudors um Heinrich VII. und seinen Nachfolgern
Geschichtsfälschung betrieben haben und bemüht sich um eine gerechte oder
zumindest objektivere Geschichtsschreibung über Richard III. Zum Anlass ihrer
"Geschichtskritik" nimmt sie ein Portrait des Königs durch einen
unbekannten flämischen Maler. Er wirkt dort sehr bekümmert und viel älter als
31 Jahre. Das Portrait aus dem Jahre 1484 entstand ein Jahr vor seinem Tode in
der Schlacht bei Bosworth im Kampf gegen Heinrich Tudor.
Der ermittelnde Inspektor liegt im Krankenhaus - aufgrund einer Verletzung zur
Untätigkeit verdammt - sieht das Bild und kommt ins Grübeln. Da er selber
nicht handeln kann, versucht er, mit Hilfe eines Assistenten "Licht ins
Dunkel" zu bekommen. Ergebnis: Geschichtsfälschung! Die Tudors haben
systematisch das Bild ihres Vorgängers verfälscht und heute ist Richard III.
durch Shakespeare "unsterblich böse gezeichnet".
Ob nun diese "Rehabilitierung" der Wahrheit entspricht, bleibt
eigentlich offen.
Gisbert
Kranz hat dies ja auch eindeutig in seinem Kurzportrait in: "Warum
wurden sie Despoten?" (Forschungsstand: 1992) dargelegt.
Interessant ist jedoch, daraus einen Krimi zu machen. Er ist atemberaubend
spannend geschrieben, allerdings "schießt" er historisch über das
Ziel hinaus: das Verhalten Richards III. ist nach wie vor zweideutig (zumindest
ab seiner Krönung und der Ermordung seiner Neffen 1483). Dies wird in diesem
Roman zu wenig herausgearbeitet. Außerdem betreibt die Autorin irgendwie
"Etikettenschwindel": sie schreibt einen - wunderbaren! - historischen
Roman und "verkauft" diesen - sehr ideenreich!!! - als Krimi. Nun ja,
sie wußte schon damals, wie man die Auflage steigern kann.
Fazit
Insgesamt mit diesen beiden Einschränkungen - kein Krimi, keine
"objektive", da wiederum zu einseitige Darstellung Richards - sehr zu
empfehlen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 29. März 2003 2003-03-29 09:56:10