Neben seiner Straßenbahn wird der Kölner S-Bahn-Fahrer Wolfgang Berger
erstochen aufgefunden. Er wurde getötet, als er am Wendeplatz ins
entgegengesetzte Zug-Ende steigen wollte. Das Mordopfer hat so unauffällig
gelebt, dass die Ermittlergruppe um die Kommissarin Judith Krieger wenig
Anhaltspunkte findet, warum der Mann getötet wurde. In seinem Leben gab weder
Bekannte, noch Konflikte, in seiner Wohnung findet sich nur ein spärlicher
Hinweise auf ein Motiv für die Tat. Als wenig später nahe des Tatorts die
Brandstiftung in einer Pizzeria ein Todesopfer und eine Schwerverletzte fordert,
suchen die Ermittler fieberhaft nach einem Zusammenhang. Die junge Frau, die aus
der brennenden Pizzeria gerettet wurde, liegt im Koma und kann nicht
identifiziert werden. Sie hat offensichtlich als Zwangsprostituierte gearbeitet
- doch in welcher Beziehung stand sie zu dem toten Straßenbahnfahrer?
Krieger&Co befragen Mitglieder der Kunstfabrik, einer Künstlergruppe, aus deren
Atelierfenstern Bergers Tod möglicherweise beobachtet worden ist. Dabei stellen
sie fest, dass eine der Mieterinnen, die Verbindungen ins Rotlicht-Milieu
pflegte, verschwunden ist. Kollege Manni, privat stark mit seiner neuen Liebe
beschäftigt, recherchiert unter Prostituierten und im Internet. Manni muss
abwägen, ob das Schutzbedürfnis seiner Informantinnen oder die Aufklärung des
Falles Priorität haben. Eine Figur, deren Bedeutung für den Fall lange unklar
bleibt, ist die Bildhauerin Theodora Markus, eine Künstlerin in beruflicher und
privater Krise. Theodora arbeitet in einem Atelier in der Kunstfabrik und ist
dort Nachbarin der verschwundenen Nada.
In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir die russische Gerichtsmedizinerin
Ekaterina Petrowa kennen, die mit einem Drei-Jahres-Vertrag in Deutschland
arbeitet. Ekaterina hat samische Vorfahren und wird von traumatischen
Erinnerungen ihrer Familiengeschichte verfolgt. Einerseits könnte man
Ekaterinas Job in Deutschland für das große Los halten, andererseits findet
die Gerichtsmedizinerin sich nur zögernd ins deutsche Alltags- und Berufsleben
ein. Ekaterina hatte sich vorgestellt, sie würde zurückgezogen und
konzentriert in ihrem Fach arbeiten. Doch sie stellt leicht befremdet fest,
dass zu ihrer Stelle die Leitung eines Projekts gegen häusliche Gewalt gehört.
Als Berichterstatterin über Fälle von Misshandlung wird Ekaterina von einer
gut gekleideten Frau aufgesucht, die zwar Spuren von Misshandlungen
dokumentieren lässt, sich jedoch zu keiner weiteren Aktion entschließen kann.
Ekaterina ist durch diese Begegnung stark beunruhigt.
Kommissarin Judith Krieger, in ihrer Jugend frauenbewegt und noch immer auf
Krawall gebürstet, litt in den Vorgängerbänden
Der Wald ist Schweigen und
Unter dem Eis unter Erschöpfung
am Rande einer Depression. Inzwischen wirkt Krieger erneut gehetzt und von den
Anforderungen ihres Berufes ausgebrannt.
Fazit
Gisa Klönne enthüllt die Bedeutung ihrer einzelnen Handlungsstränge für die
Ermittlungen erst am Schluss. Die Lebensbedingungen von Zwangsprostituierten hat
Klönne sorgfältig recherchiert und schildert sie weitgehend nüchtern. Wer
sich für dieses Thema schon vorher interessiert hat, glaubt sich streckenweise
in einer Reportage über Frauenhandel. Die Autorin glänzt auch in diesem Band
mit der genauen Zeichnung ihrer Figuren, ihrer Liebe zum Detail bis ins
Tabakpäckchen der Ermittlerin hinein und ihren hervorblitzenden süffisanten
Untertönen. Die Figur der russischen Gerichtsmedizinerin Ekaterina, die noch
etwas isoliert neben Krieger&Korzilius steht, lässt auf eine Fortsetzung der
Reihe hoffen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 12. April 2008 2008-04-12 15:47:42