"Von meinen Freuden würde das keiner glauben, und selbst wenn es jemand
glaubt, würde er es nicht verstehen" zieht die 45-jährige Meizhi in Luo
Lingyuans Titelgeschichte "Nachtschwimmen im Rhein" Bilanz nach 20
Jahren in Deutschland. Fünf Kurzgeschichten geben Einblick in das Leben
chinesischer Frauen in Deutschland. He Xue, die erst seit 2 Jahren in Berlin
lebt, lässt sich von ihrem Vermieter zum Sex drängen und nennt das
euphemistisch Liebesnacht. Duanyue, die ursprünglich mit Mann und Kind zum
Studium nach Deutschland kam, will sich beruflich selbständig machen und
erhofft sich dabei Unterstützung durch ihren Chef Konrad. Der betrachtet
Duanyue zunächst als seine persönliche Beute. Wer am Ende wessen Beute sein
wird, bleibt noch endgültig zu klären. Die junge Yuni fragt sich, was ein
deutscher Mann unter Liebe versteht - etwa das eifersüchtige Kontrollverhalten
ihres Partners? Xinyi aus Shanghai heiratet Johannes, den Büchermenschen, der
das gemeinsame Leben des Paars für Jahrzehnte im Voraus exakt geplant hat.
Meizhi, die Nachtschwimmerin, fühlt sich von ihrer Ehe mit einem
Vorstandsvorsitzenden und dem gesellschaftlichen Leben an seiner Seite
erschöpft.
Luos Heldinnen unterschiedlichen Alters fühlen sich von äußerst merkwürdigen
Typen angezogen. Die Autorin zeichnet ein ernüchterndes Bild des Alltags
chinesischer Frauen, die mit deutschen Männern leben. Hinter dem schönen
Schein, den erfolgreiche Paare nach außen vermitteln, verbergen sich
Gleichgültigkeit und heftige Eifersucht. Luos Frauenfiguren nehmen
besserwisserische Schwiegermütter und die Geliebten ihrer Männer hin. Bilder
von der "kleinen Chinesin" und vom Erleiden bröckelnder Beziehungen
könnten sich als tückisch erweisen und vorhandene Asiatinnen-Klischees
bedienen. Die immerwiederkehrende Frage chinesischer Frauen, was eigentlich
Liebe sei und woran man sie erkennen könne, bleibt am Ende der Erzählungen
unbeantwortet.
Fazit
Luo wählte aus ursprünglich zwölf auf Chinesisch geschriebenen Erzählungen
zum Leben von Chinesinnen in Deutschland fünf aus. Die sprachlich und
inhaltlich unterschiedlichen Geschichten zeigen ein realistisches Bild
binationaler Partner-Beziehungen in Deutschland.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 04. April 2008 2008-04-04 11:35:36