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Reiner Bohley: Die Christlichkeit einer Schule. Schulpforte zur Schulzeit Nietzsches

Die Christlichkeit einer Schule. Schulpforte zur Schulzeit Nietzsches

von Reiner Bohley
Verlag: Bussert & Stadeler [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-932906-79-4

Preis: 52,34 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
In der vorliegenden Studie "Die Christlichkeit einer Schule" betrachtet der Autor Reiner Bohley (1947-1988) ein bedeutendes Kapitel in der traditionsreichen Geschichte der 1543 gegründeten Landesschule Pforta bei Naumburg in Sachsen-Anhalt. Es ist dies ein damals vonstatten gegangener Paradigmenwechsel, der sich in der mikrokosmisch abgeschotteten "Bildungsinsel" um 1850 vollzog und damit auch Friedrich Nietzsche (1844-1900) prägte. Das Christentum in der königlich-preußischen Landesschule fand, so betont Bohley, "immer weniger Berücksichtigung, bis es zu Nietzsches Schulzeit nur noch durch das kaum beachtete und schlecht unterrichtete Fach "Religion" zur Geltung kommen konnte".

Den Hauptteil des Buches liefert die 1990 als Dissertation anerkannte Abhandlung von 1974 zur "Christlichkeit Schulpfortes" zur Schulzeit Nietzsches, der das Haus von 1858 bis 1864 besuchte. Alle Texte handeln von der Landesschule Pforta und beziehen sich auf Naumburg und immer wieder auf den jungen Nietzsche, dessen kulturelle Prägung über Geschehnisse in der Schule und innerhalb des anhaltinischen Raumes stattfand. Dies wird Bohley nicht müde zu betonen. Dadurch tritt insbesondere ein Zwiespalt hervor: Die Landesschule Pforta verstand sich gerade als christliche Schule. Namen großer Deutscher, aber nicht durch ihr Christentum bekannter Gelehrter wie Klopstock, Fichte, Ranke und Wilamowitz-Moellendorf werden dennoch mit ihr verbunden bleiben. Der Autor bestätigt am Ende die These, daß die sächsischen Landesschulen ursprünglich dazu beitragen sollten, die in Deutschland zur Reformationszeit verloren gehende christliche Einigkeit zu erhalten. (369) Diesen Beitrag leisteten die Landessschulen gerade nicht effektiv. Damit wird die Lektüre zu einer sehr spannenden, die darlegt, daß eine einst hochgehaltene Christlichkeit nur noch in einem schlecht dargebotenen Religionsunterricht ihre kümmerliche Winkelexistenz fristete.

Bohley: "Überliefert wurde damit ein Christentum ohne Christus." Eines, von dem wohl Linien zum Anti-Christentum Nietzsches ausgehen, der erklärte: "Wenn ich dem Christenthum den Krieg mache, so steht dies mir zu, weil ich von dieser Seite aus keine Fatalitäten und Hemmungen erlebt habe." Eine interessante Erkenntnis. Dennoch: Schulpforta war stets darüber hinaus der Mustertyp des humanistischen Gymnasiums, welches zu einem lebendigen pädagogischen Organismus entwickelt werden sollte. Das Bildungsprofil in Schulpforta war besser, als oftmals bekannt. Gut ist es, daß der Autor Nietzsche nüchtern betrachtet. Nietzsches Taufe, Naumburger Jugend und christliche Erziehung: Der Leser durchschreitet das Buch wie eine bisher unentdeckte Sphäre, die neues für die Nietzsche-Forschung und für die Forschung über Schulpforta enthält. Deshalb sind die Resultate dieser Untersuchung aus dem Jahre 1974 für die Historiographie selbst nach mehr als drei Jahrzehnten noch immer von großer Aktualität.

Neben der hier erstmals veröffentlichten Studie enthält der Band drei Aufsätze, einen Essay sowie einen frühen Vortrag aus dem Nachlass des Autors, die sein Hauptwerk gehaltvoll ergänzen. Die besondere Leistung des Buches besteht also darin, genügend Material über die Schulzeit Nietzsches in Schulpforta zur Verfügung gestellt zu haben - dieses bezieht die Schulrevisoren (Wiese, Heiland, Möller) und damaligen Lehrkräfte (Deussen, Gersdorff, Wendt) ein. Sehr schade ist es, daß zu wendig auf das Wirken des Philosophen Johann Gottlieb Fichte eingegangen wird, insbesondere auf seinen Weg nach Schulpforta und seinen dortigen Aufenthalt von 1774-1780, unter dem er selbst sehr litt. In der Fichte-Forschung gibt es inzwischen eigens Studien, die einen tiefen Einblick in die Schulstruktur liefern und den Gelehrtengeist analysieren, insbesondere die schulreformerische Bewegung. (Vgl. Fichte in Schulpforta (1774-1780), Kontext und Dokumente. Mit e. Übers. d. Fichteschen Valediktionsrede von Stefan Monhardt, von Stefano Bacin, 2007. 425 S., Frommann Holzboog)

Dabei geht es z.B. um den Theologieprofessor Johann August Ernesti, der sich für die Schulordnung zur Zeit von Fichtes Aufenthalt verantwortlich zeichnete. Fakt ist, daß Fichte in Schulpforta nicht glücklich war, worauf selbst sein Sohn später hinwies. Kein Wort davon in Bohleys Buch. Wir lernen im vorliegenden Werk nur, daß schon um 1846 durch den Lehrer Carl Eduard Niese selbst schulische Vorträge über den ehemaligen Schüler Schulpfortas Fichte gehalten wurden (235), als dieser längst weit bekannt war und damit selbst zum Thema des Unterrichts wurde. Im Inhaltsverzeichnis (395) wird Fichte sogar mit verkehrtem Vornahmen - Johann Gottfried Fichte - benannt, der eigentlich heißen müßte: Johann Gottlieb Fichte.
Fazit
Das Buch bietet neue Informationen für interessierte Philosophen, hätte aber stellenweise etwas detailfreudiger sein können, wenn es über Nietzsche hinausgeht. Dennoch zeichnet es sich in seinem eigentlichen Thema durch große Aufmerksamkeit und Überschaubarkeit aus.
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 29. März 2008

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