Der Band ist Teil einer sechsbändigen Auswahlausgabe der Schriften Walter
Benjamins (1892-1940) bei Suhrkamp, die sich an den wissenschaftlich
interessierten Leser wendet, der vielerlei Fragen sieht und zielstrebig auf
Benjamin zurückgreift, weil er dort vielerlei Lösungen findet. Während seines
Lebens am Rande der Armut und des wissenschaftlichen Betriebs ist das Werk
Benjamins nach seiner Wiederentdeckung in den 60er und 70er Jahren von großer
Bedeutung. Seine Texte befinden sich kontextuell in allen disziplinären
Ordnungen der Wissenschaften. Und auch bei der Lektüre des vorliegenden Buches
wird klar, daß sie dadurch gerade einen unverkennbaren Stil, eine schwermütige
weil tiefgründige philosophische Haltung gewinnen. Das vorliegende Buch
präsentiert die einschlägigen Schriften, Essays, Miniaturen und Aufzeichnungen
zur Kunsttheorie und Ästhetik Benjamins. Es befasst sich entsprechend mit dem
Ursprung der Kunst in der Farbe (11), mit der Kritik in der Romantik (37) oder
mit dem Ursprung von Literatur und Übersetzung in der Sprache (95). Ein
ausführliches Nachwort kommentiert Entwicklung und Zusammenhang des
ästhetischen Denkens Benjamins.
Immer wieder geht es Benjamin, z.B. in seiner Theorie der Aura, um die
einschneidenden Veränderungen der Arbeitswelt durch Automatisierung und
Kapitalisierung, die sich mit zeitlicher Verzögerung auf den Bereich der Kunst
auswirken. Dieser Wandel - in seiner ökonomischen Begründung und im
gesellschaftspolitischen Zusammenhang - ist Gegenstand zahlreicher Analysen. Die
auf diese Weise von Benjamin extrahierten "Entwicklungstendenzen der Kunst
unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen" werden von einem Phänomen
dominiert: dem "Verfall der Aura" - ein zentrales Thema.
Als Bündelung diverser Veränderungen, die dem Kunstwerk im Zeitalter der
technischen Reproduzierbarkeit widerfahren, wird dieser Ausdruck
notwendigerweise mehrdeutig. "Das Hier und Jetzt des Kunstwerks" als
historische Trägersubstanz, die seine Autorität und Echtheit ausmacht, geht
durch die Reproduktion verloren. Damit ist das vorliegende Buch zugleich
Ausdruck der Tragik des Ringens um Identität, sowohl Identität der Person, als
auch Identität des Kunstwerkes, denn das Buch ist getränkt vom Gefühl der
Sehnsucht und der Erkenntnis von der Unwiederbringlichkeit des Vergangenen,
insbesondere bei seinen Reflexionen mit dem Titel "Allegorien der
Kindheit". (417) Insgesamt repräsentiert das Buch Gefühle, deren
philosophische Einordnung infolge konsequenter Selbstreflexion kaum jemand
anders hätte besser ausdrücken können, als der von Zerrissenheit gepeinigte
Benjamin auf der Suche nach seinem ihm gemäßen Ort in der Welt und auf der
Suche nach der Originalität.
Der gesamte Bereich der Echtheit entzieht sich deshalb für ihn der technischen
Reproduktion. Er verlagert ihn in die metaphysische Rolle des zu Suchenden
hinein. Die vorliegenden Gedanken als Essenz einer Verschmelzung von
metaphysischen und phänomennahen Reflexionen, in denen Subjekt und Objekt eine
Rolle spielen - das Benjaminsche Reflexionsmedium wird als Selbstbewusstsein und
als Dinge der Natur artikuliert - dienen am Ende der festen Instandsetzung der
auratischen Wahrnehmung. Diese aber wird entgegen Benjamins Hoffnung am Ende des
19. Jahrhunderts tatsächlich durch die schockförmige und oberflächlich
reproduzierte Wahrnehmung medialer Inszenierung abgelöst. Es gibt für ihn die
Aura der reinen Erscheinung und es gibt die in Allegorien sprechende und sich
nicht enträtselnde Reflexion. Beide schließen sich aus. Original und Aura
stehen somit der Reproduktion und der medialen Indienststellung von Kunst
entgegen. Fazit: Wir haben hier eine ernstzunehmende Kulturkritik ersten Ranges
vorliegen, welche einer weiteren Rezeption würdig ist.
Fazit
Fazit: Wir haben hier eine ernstzunehmende Kulturkritik ersten Ranges vorliegen,
welche einer weiteren Rezeption würdig ist.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 01. März 2008 2008-03-01 15:19:16