Ein meterhoher, mit Stacheldraht bewehrter Zaun hält Demonstranten auf Distanz,
auf zahlreichen Quadratkilometern werden Demonstrationen verboten, die Polizei
treibt mit Wasserwerfern und Schlagstöcken Demonstrationszüge auseinander,
hunderte Demonstranten werden verhaftet und in kleinen Drahtkäfigen
eingesperrt, und die Bundeswehr wird herangezogen, um die Polizei gegen die
Demonstranten zu unterstützen. Was wie eine polizeistaatliche Dystopie klingt,
war 2007 beim G8-Gipfel in Heiligendamm Realität.
Da bereits im Vorfeld des Gipfels zahlreiche Konflikte mit der Polizei erwartet
wurden, gründeten engagierte Anwälte des Republikanischen*) Anwältinnen- und
Anwältevereins (RAV) das "Legal Team", einen Zusammenschluss von
Anwälten, der sich für die Rechte der Demonstranten einsetzte und die
Demonstrationen aktiv begleitete. Dieses Legal Team hat nun einen Bericht
herausgebracht, in dem die Anwälte nüchtern-sachlich auf 175 dunkelblau
bedruckten Seiten ihre Sicht der Geschehnisse rund um den Gipfel schildern.
Bei der Einleitung wird betont, dass das Legal Team sich selbst als parteiisch
auf der Seite der Demonstranten versteht, der Bericht darf also nicht als
unabhängige, neutrale Schilderung angesehen werden. Teilweise lobt das Legal
Team auch sich selbst. Allerdings sind viele der im Buch erwähnten Dinge klar
belegbare Fakten, die wenig Raum für Interpretationen bieten. Der Bericht soll
insbesondere ein Gegengewicht zu den durch die Polizei verbreiteten Meldungen
darstellen, die sich oft als schlichte Lüge entpuppten.
"Feindbild Demonstrant" gibt einen guten Überblick über die im
Rahmen des G8-Gipfels getroffenen Maßnahmen und die dabei oft stattgefundenen
Überschreitungen der Grenzen der Rechtsstaatlichkeit - es liest sich wie ein
Gruselkabinett der Repression. Auf jeder Seite werden neue Missstände genannt,
es kommt fast nie zu Wiederholungen. Die einzelnen Themen werden jeweils kurz,
aber ausreichend behandelt, sodass man sich weder langweilt noch am Ende
dasteht, ohne mehr erfahren zu haben.
Beim Lesen fragt sich der Leser, wie solche Zustände in Deutschland möglich
sind und ob man die Bundesrepublik noch als Rechtsstaat ansehen kann. Die
geschilderten Situationen werden, auch für Laien verständlich, mit dem
rechtlichen Hintergrund kommentiert und mit Quellen belegt. Oft werden z. B.
Gerichtsurteile genannt, in denen ähnliches Verhalten der Polizei für
rechtswidrig befunden wurde.
Jedem, der sich für die Themen Bürgerrechte, Freiheit und Rechtsstaat oder die
allgemein für die Geschehnisse rund um den G8-Gipfel in Heileigendamm
interessiert, kann ich dieses Buch wärmstens empfehlen.
*) Hat nichts mit der rechtsradikalen Partei "Die Republikaner" zu
tun, dazu der RAV selbst: "Ein Republikaner war und ist ein radikaler
Demokrat, also einer, der auf dem Vorrang der Menschen- und Bürgerrechte
gegenüber den Interessen staatlicher und wirtschaftlicher Institutionen besteht
und stets mehr Demokratie will, als gerade erreicht ist. [...] Dem Begriff
"republikanisch" fühlt sich der RAV ungeachtet dessen, daß eine
rechtsradikale Partei sich diesen Namen sinnwidrig anmaßt, nach wie vor
verpflichtet."
Fazit
Das Buch stellt eine gute, übersichtliche und spannenden Zusammenfassung dar.
Die vollen zehn Sterne möchte ich allerdings nicht geben, da das Buch nicht von
einer neutralen Organisation stammt.
Vorgeschlagen von Jan Schejbal
[Profil]
veröffentlicht am 07. Februar 2008 2008-02-07 19:33:57