Das Denken und Handeln einer Masse von Menschen, so meinten gewisse Philosophen,
könne als Quantität ohne Qualität verstanden werden, weil der Inhalt der von
dieser Masse eifrig ergriffenen Informationen seitens der Medien weniger an das
kritische Urteilsvermögen appelliere, als vielmehr an die Affekte und die
automatische Wirkung der durch Wiederholung und Gewohnheit gebildeten
Gedankenverbindung. Diese gipfelt dann in einer Art Kollektivseele. Sie gibt
unterbewußt vor, was "man" sagen darf, was "man" wählen
darf, was "man" denken darf. Der Beweis hierfür ist in der Tatsache
zu finden, daß jegliche Devianz Einzelner zum Tabubruch en gros stilisiert
wird. Sprachnormierungen bilden eine politische Korrektheit, um beispielsweise
der Kollektivseele der Masse eine semantische Verschleifung von legitimer
Äußerung hin zu "umstrittener" Äußerung aufzuschwatzen. Dadurch
wird sehr leicht - selbst bei horchrangigen "Demokraten" und
Journalisten -"extremistisch" mit "über die Meinungsfreiheit
gesichert" verwechselt. "Neusprech" und "Gutdenk" sind
längst bekannte Begriff für jene Entwicklung, die sich gezielt zueigen macht,
daß die Sprache das bedingt, was der Sprecher denkt und versteht.
Zeit für eine Entlarvung dieses Irrsinns. Von "Antizionismus" bis
"Zukunftsfähig": Im vorliegenden Buch, eine vergnügliche Anleitung
für politisch Unkorrekte, sind alphabetisch alle Begriffe und Floskeln
aufgeführt, mit denen wir tagtäglich davon abgelenkt werden, selber zu denken.
Auch die Autoren sind davon überzeugt, daß sich die erzwungene Korrektheit im
Sprechen wie ein Grauschleier über alle Diskussionen lege und zudem verhindere,
klare und präzise Benennungen vorzunehmen. Wer könnte besser dagegen angehen
als Josef Joffe oder Henryk M. Broder, der Querdenker vom "Spiegel".
Eine Probe: Der Achtundsechziger, das sei ein "Mann, der die eigene
Postpubertät für die bedeutendste Wende der Weltgeschichte hält." (15)
Oder: Antifaschismus, das ist "fester Bestandteil politischer
Folklore." (21) Weiter: Der Aufstand der Anständigen des Jahres 2000:
"Mit staatlicher Unterstützung organisierte Massenveranstaltung, die der
Demonstration der eigenen Untadeligkeit dient." (28)
Diese und viele weitere entlarvenden Definitionen wirken im Endeffekt der
geringen Differenzierungsfähigkeit jener entgegen, die meinen, als gute
"Demokraten" schon gut differenzieren zu können und über diese
Selbstproklamation schon jede politische Würde und Aufrichtigkeit, die
eigentlich in einer insgesamt erfassenden Moral der Zurückhaltung und der
Höflichkeit liegen sollte, aufgegeben haben. Ob der Antisemitismusstreit
Möllemanns, die Skandalisierung im Fall Martin Hohmann mit der
simplifizierenden Verfremdung des gesprochenen Wortes sowie der von den Autoren
zurecht benannte und von anderen blind befolgte "Aufstand der
Anständigen" - der eingehenden Selbstreflexion mag dieses Buch eine
Bresche schlagen.
Es zeigt, daß "Gesicht zeigen" nicht notwendig eine "offizielle
Anweisung für den Umgang mit Neonazis" sein muß, die "nicht
gegenüber muslimischen Rassisten und Antidemokraten gilt", sondern auch
umgekehrt heißen kann: Man verwende den Begriff "Diskurs" nicht mehr
als postmodernes Füllwort, und schließe sich nicht der absurden
terminologischen Dynamik von Gastarbeiter - Ausländer - Türke - Zuwanderer -
Einwanderer - Muslim - Mensch mit Migrationshintergrund an. Man nehme sich
vielmehr diese nun vorliegende und grandios auftretende Dekonstruktion von
Lenk-Denk zur Hand. Zwar sind wir dann wiederum "umstritten", aber
auch diese elegante Form der Herabsetzung braucht dann nur noch belächelt zu
werden. Wir wissen ja, woher sie kommt.
Fazit
Passen wir also auf die Tücken strategisch angewandter Sprache auf!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 26. Januar 2008 2008-01-26 11:36:25