"Geköpft werden verändert deine ganze Einstellung." - Diese und
andere Sprüche finden sich in einem Buch John Lennons, welches in Deutschland
mit dem Titel "Zwei Jungfrauen oder wahnsinnig in Dänemark" zuletzt
1993 erschien. Lennon trat neben seiner musikalischen Arbeit bereits oft ins
Rampenlicht literarischer Tätigkeit, und viele Biographien über ihn lassen es
an eingehender Analyse seines künstlerischen Schaffen jenseits der Musik
mangeln oder ihnen gelingt nicht die packende Verknüpfung von Leben, Erfahrung,
innerer Überzeugung und künstlerischem Schaffen ihres Forschungssubjekts
innerhalb einer Biographie. Und gerade bei John Lennon ist eine solche
Verbindung zum Gesamtverständnis seines Charakters notwendig, weil sich aus ihm
- Beatlesfans werden es wissen - sein schöpferischer Antrieb versteht, als
Sublimierung des eigenen Leidens und Sehnens.
Daß Lennon deshalb immer noch viele Schreiber inspiriert, ist nichts
Besonderes. Mit diesem vorliegenden Büchlein der Suhrkamp-Reihe "Basis
Biographie" gibt es nun eine neue Biographie über den Rebellen der Beatles
von Peter Kemper.
Das Büchlein teilt sich in einen größeren Teil über das Leben, einen
kleineren über das Werk und einen noch kürzeren über die Wirkung des 1980
ermordeten Musikers.
Da geht es also von der tragischen, wechselvollen Kindheit Lennons in Liverpool
über die Lehrzeit der Beatles in Hamburg zur Beatlemania, und von da aus zu
politischen Aktionen und den Soloalben Lennons, der anschließend ab 1976 in
einer langen Zeit als Hausmann mit dem zweiten Sohn Sean geradezu neu
aufblühte. Mit bekannten und zu jedem Lebensabschnitt in den Kontext passenden
Zitaten dazwischen, die von Zeitzeugen stammen, vermittelt dieses Buch ein
Basiswissen, daß sogar jeden routinierten Beatlesfan packt, der gewöhnlich
entweder jegliches Material Lennons besitzen möchte oder aufgrund des
Überflusses an gelesenen Biographiehaufen meint, ohnehin alles zu wissen.
Kempers Biographie beweist trotz ihrer Kürze, welche gerade ihre Stärke ist,
das Gegenteil, denn sie bringt auch immer wieder Neues zur Sprache. Sie setzt
sich damit von vielen dickleibigen Biographien ab, von denen das inhaltlich
offenbarungsjournalistisch geschriebene und skandalgetränkte Buch Albert
Goldmanns "The Lives Of John Lennon" (1988) nur eine war. Kemper
informiert sachlich und unspektakulär über ein Leben, an dem jeder
eingefleischte Beatlesfan sogar Neuigkeiten eifrig aufnimmt und mit vorhandenem
Wissen abgleicht. Selbst für Kenner also auf nahezu jeder Seite spannend.
So z.B. das Kapitel, welches Lennons Zurücksendung seines wichtigsten
britischen Ordens M.M.E. an die Queen dokumentiert. Lennon sage: "Ich gebe
diesen M.B.E.-Orden aus Protest gegen das britische Engagement in
Nigeria-Biafra, aus Protest gegen unsere Unterstützung der USA im Vietnam-Krieg
und aus Protest gegen den Hitparadenabstieg von "Cold Turkey" zurück.
Mit lieben Grüßen, John Lennon". An Mut, Entschlossenheit, Rebellion,
Selbstironie ist dieses Verhalten kaum zu übertreffen - eben das Denken eines
hochwertigen Geistes, der gerade deshalb und wegen seiner politischen Motivation
vom CIA überwacht wurde. Erstmals erwähnt Bender hier die CIA-Überwachung
Lennons und beschreibt in diesem Zusammenhang eingehend die damit
zusammenhängenden diversen politischen Engagements Lennons, beispielsweise für
die amerikanische Linke oder die IRA in Irland.
Unbewußt in Analogie zur Philosophie Heideggers stellt Bender sogar Lennons
Lebensgrundhaltung dar: Unser Sein ist ein "Sein zum Tode" von Schmerz
und Leid begleitet. Und wahrlich, wer Lennons Lieder kennt, an "God",
"Instant Karma" oder "Mother" denkt, weiß, daß jemand hier
an jeder Stelle und mit jedem Ton seine Seele und sein Leid offenbart. Zudem hat
es so übersichtlich wie hier auch für den routinierten Fan kaum eine
inhaltlich beschreibende und informative Übersicht aller
Lennon-Ono-Filmproduktionen gegeben, darunter "Rape" (1969),
"Apotheosis" (1970) oder "Erection" (1971). Auch
Musikeinflüsse auf andere Künstler, darunter U2, Brian Ferry, Oasis oder
Sinead O’Connor werden abgehandelt.
Fazit
Das vorliegende Buch erfüllt also den Anspruch einer
"Basisbiographie" durchaus. Es stellt einen aufsässige
Intellektuellen, Musiker, Künstler, Maler und Literat dar, der als Objekt von
FBI-Überwachungen herhalten mußte, sich aber niemals sein Denken und Reden
verbieten ließ, menschliche und politische Mißstände stets bis aufs Letzte in
die Weite hinausbrüllte. Als Lennon 1980 an seiner Wiederkehr aus dem
Hausmanndasein ins politische und musikalische Geschäft arbeitet, wird er
erschossen.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 24. November 2007 2007-11-24 19:01:20