Wer in der Familie Reinhold hatte sich eigentlich in den Kopf gesetzt,
"mitten in die Natur" aufs Land zu ziehen? Die Lage des neuen Hauses
am Fluss ist tatsächlich idyllisch, doch was hat der neue Wohnort außer der
Landschaft zu bieten? Vater Reinhold ist den ganzen Tag über unterwegs, seine
Frau jammert, dass sie sich vom Dorfleben ausgeschlossen fühlt und Tochter Mia
hängt schon kurz nach dem Umzug bedrückt herum. Der einzige Lichtblick für
Mia sind die Steinflößers, ihre Nachbarn gegenüber, die sie täglich
beobachtet. Mia findet schnell Kontakt zu den Brüdern Jan und Alex und zu Oma
Wagner. Die betagte Dame führt ihrem Sohn und den beiden Enkeln den Haushalt.
Jan und Alex Mutter hat vor Jahren die Familie ohne Abschied verlassen. Ihre
Söhne leiden noch immer darunter und auf der Familie scheint seitdem ein
düsteres Geheimnis zu liegen. Oma Wagner ist einerseits streng katholisch und
scheint trotzdem an so etwas wie eine Flussgottheit zu glauben, die bei Laune
gehalten werden muss. Wer direkt am Fluss wohnt und den Naturgewalten
ausgeliefert ist, findet das möglicherweise ganz selbstverständlich. Mia ist
hin und her gerissen zwischen dem geregelten, fast spießigen Familienleben der
Nachbarn und ihren eigenen merkwürdigen Beobachtungen. Sie selbst leidet an den
Folgen eines Erlebnisses, über das sie noch nie gesprochen hat. Jan, der
jüngere Steinflößer-Sohn, Spitzname "das Chaos auf zwei Beinen",
zieht sich immer stärker in seine eigene Welt zurück, in der er mit dem
Fantasie-Wesen Alina spricht. Als Mia Fischskelette und merkwürdig kleine
Fußabdrücke entdeckt, ist sie überzeugt, dass es bei den Steinflößers und
am Fluss nicht mit rechten Dingen zugeht.
Fazit
Marlene Röder erzählt vor einer unheimlichen Kulisse die
Entwicklungsgeschichte dreier Jugendlicher. Mias, Alex und Jans kleine Welt ist
überschaubar: Väter sind entweder abwesend berufstätig oder anwesend und
gestresst; Großmütter gehen am Stock. Die Autorin verknüpft den inneren
Monolog einer zunächst noch unbekannten Person mit Berichten aus Jans,
Alexanders und Mias Perspektive. Das Leben am Fluss im Laufe der Jahreszeiten
wird stimmungsvoll und zugleich düster geschildert. Die gewählten Metaphern
finde ich nicht immer treffend, den fantastischen Anteil der Handlung sehr
spannend. Mit zahlreichen Anspielungen leitet die Autorin ihre Leser auf
verschiedenen Wegen in die Irre, löst das Rätsel um die verschwundene Mutter
auf und führt schließlich alle Handlungsfäden wieder zusammen. Ein
Erstlingsroman, der Jugendliche und Erwachsene anspricht.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 20. Juli 2007 2007-07-20 21:02:06