Der Journalist Mikael Blomkvist, Spitzname Kalle Blomkvist, bekommt vom
82-jährigen Henrik Vanger den Auftrag, im seit vierzig Jahren ungeklärten Fall
seiner Großnichte Harriet zu ermitteln. Harriet war damals von der kleinen
Halbinsel Hedeby verschwunden, auf der alle Hausbesitzer Vanger heißen und
miteinander verwandt sind. Je älter Henrik wurde, um so mehr hatte ihn Harriets
Schicksal beunruhigt. An Geld mangelt es dem Familien-Patriarchen nicht, wohl
aber Mikael, der ein Verfahren wegen übler Nachrede gegen den Industriellen
Wennerström am Hals hat und damit seine Arbeitgeberin, das Magazin Millenium,
an den Rand der Pleite brachte. Vanger vereinbart mit Mikael, dass der ins
Gästehaus der Familie ziehen und nach außen vorgeben soll, an der
Familienchronik der Vangers zu arbeiten. Im Gegenzug wird Mikael vom alten
Vanger außer seinem Honorar Informationen über Wennerström erhalten, mit
denen er sich an eine Wiederaufnahme des Verfahrens Wennerström wagen kann. Die
Ermittlungsakten im Fall Harriet sind sorgfältig geführt und komplett
vorhanden, Vanger hat ein ausführliches Tagebuch geschrieben und am Tag von
Harriets Verschwinden hatten während eines Fests zahlreiche Teilnehmer Fotos
gemacht. Mit zunächst geringer Hoffnung, neue Erkenntnisse auszugraben, beginnt
Mikael einige Meter Ermittlungsakten zu studieren.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Leser die Ermittlungen eines trockenen,
strebsamen Frauenverstehers verfolgt, der in seiner Freizeit gern Krimis
weiblicher Autoren liest. Die Handlung wechselt immer wieder zu Lisbeth
Salander, von der man zunächst nicht ahnt, welche Verbindung sie zum Fall
Harriet hat. Eine verblüffende Wendung zeichnet sich ab, als Mikael sich näher
mit der restlichen Familie Vanger beschäftigt und einigen Familienmitgliedern
damit gehörig auf die Füße tritt. Larssons Krimi gewinnt weiter an Tempo
durch Mikaels Zusammentreffen mit der jungen Lisbeth Salander, in der er seine
Meisterin finden wird. Lisbeth, die bisher stets allein gearbeitet hat, macht
einen mehr als gestörten Eindruck; doch ihre Ermittlungsmethoden sind so genial
wie unkonventionell.
Bis zur Begegnung zwischen Mikael und Lisbeth fand ich die Handlung mäßig
spannend: Ermittlungen nach Aktenlage, Lageplan der Insel, kryptische Notizen
der Verschwundenen. Doch Lisbeth verblüfft nicht allein Mikael und seine Chefin
Erika. Das Schicksal der jungen Einzelkämpferin und ihre Zusammenarbeit mit
Mikael hat mich bis zur letzten Seite gefesselt.
Fazit
Die akribische Beschreibung Mikaels sorgfältiger Spurensuche lässt zu Beginn
von "Verblendung" keine Thrillerqualitäten erwarten. Nachdem der
Journalist einige "Leichen im Keller" der Familie Vanger gefunden hat
und selbst in Gefahr gerät, entpuppt sich die Story vom Typ "closed room
murder" als facettenreicher Krimi. Larsson kann seine Leser konsequent
fesseln - selbst dann, als sich schon die Lösung des Falles abzeichnet. Die
Lektüre lohnt sich besonders wegen der Figur der unkonventionellen Lisbeth.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 28. Mai 2007 2007-05-28 16:28:30