Dr. Dominc Lyall teilt seine einfache Hütte mit Fledermäusen. Sein Leben in
einem abgelegenen Dorf der Amazonas-Region ist auf die einfachen Dinge
reduziert: Wird sein Dach den nächsten Tropenregen aushalten? Wird Dominic
gesund bleiben? Was gibt es heute zu essen? Für die Menschen am Amazonas
scheint es keine Vergangenheit und keine Zukunft zu geben. Der ehemals
erfolgreiche englische Gynäkologe ist für die Gesundheitsversorgung des
kleinen Stammes zuständig. Unter dem kritischen Blick des Dorf-Schamanen Keewei
impft Lyall die Dorfbewohner und behandelt sie nur dann mit westlicher Medizin,
wenn der Schamane am Ende seiner Weisheit angelangt ist. Keewei hält Lyall
ebenfalls für einen Schamanen, der nur andere Methoden anwendet als er selbst.
Medikamente und Impfstoffe bekommt Lyall auf dem Wasserweg durch einen
einheimischen Mediziner geschickt. Doch immer wenn Fremde ins Dorf kommen,
achtet der Gringo-Schamane sorgfältig darauf, dass er ihnen nicht begegnet.
Dominics Zurückhaltung scheint ihren Grund in seinem früheren Leben als
Spezialist für In-Vitro-Fertilisation zu haben. Damals war Dominic Lyall der
Paläoprimatologin Ruth Schroeder behilflich gewesen, einem im Eis
außergewöhnlich gut konservierten Toten aus der Bronzezeit eine DNA-Probe zu
entnehmen. Heimlich zweigt er Material für eigene Zwecke ab, befruchtet damit
eine Eizelle künstlich und pflanzt sie einer Patientin ohne deren Wissen ein.
Sie bekommt ein Kind mit außergewöhnlichen Fähigkeiten: Adam.
Schon zu Beginn der Handlung fragt sich der Leser, wie Dominic an den Amazonas
gelangt ist und warum er so besonderen Wert darauf legt, unerkannt zu bleiben.
Dominic lässt in Rückblenden sein Leben an sich vorbeiziehen. Bereits als
Medizin-Student war er von der Möglichkeit fasziniert, die Spielkarten des
Lebens selbst mischen zu können. Als Spezialist für Sterilitäts-Behandlungen
genoss er später das Gefühl, selbst Leben zu schaffen. Ganz im Gegensatz zu
seinem Jugendfreund Brian, der ein einfaches ruhiges Leben auf dem Land führen
will, genießt Dominic das Dasein als kinderloser erfolgreicher Wissenschaftler
in London. Der englische Gynäkologe hat sich selbst zum Schöpfer menschlichen
Lebens ernannt - die Konsequenzen werden ihn bis in den hintersten Winkel
Südamerikas verfolgen.
Fazit
Dominics genaue Beobachtung des gemächlich dahin fließenden Dorflebens und des
sozialen Stammesgefüges wird von den Erinnerungen an seinen fatalen Versuch und
seine Beobachtungen des Retortenkindes Adam unterbrochen. Die geschickte
Verknüpfung beider Handlungsstränge liest sich außergewöhnlich spannend.
Booth hat in Anlehnung an den Fund des Gletschermannes in den Ötztaler Alpen
einen fesselnden Wissenschaftsthriller verfasst (1995 zuerst in England
erschienen) und seine Hauptfigur Dominic sehr differenziert angelegt. Das
Schicksal des Retortenkindes Adam wird vielen unvergesslich bleiben und die
ethischen Grenzen menschlichen Handelns wieder in unser Bewusstsein rücken.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 19. Mai 2007 2007-05-19 21:39:38