Elke Falkenstern wurde seit ihrem 2. Lebensjahr über 13 Jahre lang von ihrem
Vater, einem Pfarrer, sexuell missbraucht und misshandelt. 2mal wurde sie
schwanger, beide Male trieb der Vater auf brutalste Art eigenhändig die Babies
ab - die Mutter schwieg dazu!
Der sexuelle Missbrauch und die Misshandlungen waren so lebensbedrohend für das
Kind, dass es nur überleben konnte, indem es sich "spaltete" und
alles verdrängte und vergass.
Viele Jahre später, als sie Mitte 30 ist, geht sie wegen beruflicher Probleme
zu einem Psychiater. Im ersten Teil des Buches schildert die Autorin die
Entdeckung der Gewalt, der Ursache ihrer bis dahin unerklärlichen Ängste und
Körperschmerzen. Sie bricht den Kontakt zum Vater ab, informiert die
Geschwister, einige Verwandte und Freunde - und berichtet über deren
Reaktionen. Und diese sind unglaublich, weil teilweise ungläubig,
desinteressiert, einer ist der Ansicht, dass es "ja schon Jahre her
ist" und "ob sie das Thema Missbrauch noch sehr beschäftige?"
Sie nimmt einen neuen Namen an, was ein Teil ihrer Herkunftsfamilie auch nicht
versteht. Im 2. Teil beschreibt Elke Falkenstern den schweren, aber befreienden
Weg der Therapie. Sehr wichtig ist es für sie, dass sie nicht nur in die
Opferrolle gedrängt wird und nicht moralisch die Schuld an der erlittenen
Gewalt mitträgt. Und zugleich zeigt sie, dass ein Heilwerden möglich ist, ohne
dem Täter zu verzeihen
Fazit
Ich bin sehr beeindruckt von dem sachlichen, unprätenziösen Stil der Autorin.
Selten hat mich ein so (positiv) undramatisch geschriebenes Buch so
gefangengenommen und erschüttert.
Elke Falkenstern ist eine sehr tapfere, mutige und kluge Frau, für die ich eine
grosse Bewunderung habe.
Ich wünschte, dieses Buch würde Pflichtlektüre in den Schulen:
Vielleicht gebe es dann (eines Tages) weniger Täter (egal, ob Väter, Brüder
Onkel etc).
"Denn Täter geben ihren Opfern die Schuld. Die all die Gewalt der Täter
provoziert, gewollt, genossen hätten" Hier können schon die Jungen
lesen, dass es nicht so ist. Und die Mädchen: Wie wichtig es besonders als
Mutter ist, vor einem sexuellen Missbrauch nicht die Augen zu verschliessen, das
missbrauchte Kind nicht im Stich zu lassen.
Ein grossartiges Buch.
Vorgeschlagen von Karin Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 06. Februar 2007 2007-02-06 08:20:58