Robert Harris hat mit "Imperium" einen durchaus spannenden Roman um
den römischen Denker und Politiker Marcus Tullius Cicero vorgelegt, der aus
Sicht seines Sklaven, Tiro, beschrieben ist. Er beschreibt allerdings nicht das
gesamte Leben Ciceros, sondern lediglich seinen Aufstieg zur Macht, welches im
römischen Reich als "Imperium" bezeichnet wird. Dabei
"pickt" sich der Autor zwei Ereignisse heraus, die den Schwerpunkt
seines historischen Romans bildet. Den Aufstieg Ciceros als Anwalt, den er durch
seinen Prozess gegen den korrupten Statthalter Siziliens, Verres, erlangte.
Detailliert wird beschrieben, welchen Mut es erforderte, sich gegen die
Arostokraten und den lange mächtigen Statthalter zu stellen. Doch Cicero, der
eigentlich den Popularen, also dem "Volk" in Rom nahestand, belässt
es nicht dabei. Um sein erstrebtes Ziel, Konsul zu werden, zu erreichen,
packtiert er im zweiten Teil des Romans auch mit den Aristokraten und seinem
bislang verhassten Gegner Hortensius.
Nun ist Cicero immer schon dankbares Objekt der Literatur gewesen, man denke an
Steven Saylors spannenden historischen Kriminalroman: "Das Lächeln des
Cicero", welches den Prozess gegen Sextus Roscius beschreibt.
Harris Roman ist spannend geschrieben. Man legt ihn nicht aus der Hand. Er
lässt mich aber dennoch unbefriedigt zurück. Denn zum einen werden wichtige
Begriffe des politischen Systems in der römischen Republik, also das des
Aedils, des Quaestors, des Konsuls eben nicht ausreichend beschrieben. Auch der
historische Hintergrund der beteiligten Personen bleibt seltsam blass. Wie kam
Ciceros Intimfeind Crassus zu seinem Aufstieg? Dass er abgebrandte Häuser
wieder aufbauen ließ und dafür Vermögen kassierte, kommt - im Gegensatz zu
Steven Saylors Roman - nicht heraus.
Alle Politiker, von Crassus, über Catilina, Caesar werden als Intriganten
beschrieben, doch auch Cicero erscheint - je länger je mehr - als Opportunist,
was insbesondere seinen jüngen Bruder Lucius in den Freitod treibt. Es hätte
sich angeboten, eine Skizze über die Verhältnisse der römischen Republik zu
schreiben und den Alltag - jenseits der Intrigen - deutlicher zu beleuchten.
Spätestens bei der Beschreibung des brutalen Senators Catilina hätte es sich
doch angeboten, die nach diesem benannte Verschwörung - die Cicero immerhin
aufdeckte! - zu beschreiben.
So bleibt der Eindruck (leider) bestehen, dass Harris hier relativ willkürlich
zwei Episoden aus dem Leben Ciceros herausgriff und um sie herum eine -
zugegebermaßen spannende, aber letztlich nicht zufriedenstellende,
"Story" drum herum schrieb. Zumindest hätte der Autor kurz den
weiteren Lebensweg seines Protagonisten erläutern müssen. An andere
historische Romane, etwa Robert Graves: "Ich Claudius, Kaiser und
Gott" kommt das Buch daher nicht heran, zu eindimensional schematisch
erscheinen die Charaktere und zu sehr "selektiv ausgewählt" und auf
einen Spannungsbogen zugeschnitten scheinen die Episoden.
Wer sich näher über Cicero kurz informieren will, sollte nach der Lektüre
dieses Buches Fuhrmanns Biographie: "Cicero und die römische
Republik" oder Karl Christs: "Krise und Untergang der römischen
Republik" heranziehen - oder eben googeln.
Fazit
ein spannender historischer Roman, der aber letztlich nicht ganz befriedigt.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 29. Dezember 2006 2006-12-29 12:44:00