Der Hotel-Pianist ist eine Frau. Sie heißt mal Hanna, mal Mimi oder Selina,
lebt illegal in Berlin und schlägt sich mit dubiosen Jobs für dubiose
Auftraggeber durch. Ohne Papiere, ohne Krankenversicherung. Wenn jemand sie zu
genau ansieht, wird es Zeit, Wohnung und Arbeit zu wechseln. Ihre Arbeitgeber
nutzen ihr Wissen über den illegalen Status der Fremden so weit wie möglich
aus. Eine Muttersprache will sie nicht haben; in ihren Stiefmuttersprachen
träumt, verhandelt und übersetzt sie. Von der ersten Seite an bangen die Leser
mit ihr, dass sie gesund bleibt, dass sie den merkwürdigen Russen entkommt, die
sie bedrohen, dass sie nicht unter die Räder kommt. Doch verblüfft erleben wir
eine starke Hauptfigur, die mit messerscharfem Urteil die Halbwelt der
Nachtschwärmer, Barbesucher und Villenbesitzer seziert. In rasantem
Erzähltempo wird ein Berlin portraitiert, das an die Zwanziger Jahre erinnert.
Die Fremde erlebt immer wieder spontane Hilfsbereitschaft, Anzeichen von
Zuneigung, auf die sie sich nicht einlassen mag. Schließlich findet sie in
einem todkranken alten Mann ihren Meister.
Fazit
Ein realistisches und zugleich märchenhaft-melancholisches Buch - unbedingt
lesenswert!
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 23. Oktober 2006 2006-10-23 19:47:20