Kochen, Essen und noch mehr
Wer leidet, soll kochen! Wenn er das allerdings derart exzessiv betreibt wie
Rosa Fiore in dem Roman "La Cucina Siciliana" droht ihm sowohl Glück
als auch Unglück.
Rosa ist Mitglied einer komplizierten sizilianischen Familie. Sie hat viele,
viele Brüder, von denen der Letztgeborene zweiköpfig und dreibeinig ist, eine
sexsüchtige Mutter und einen Vater, der plötzlich im Nirwana verschwindet. Ihr
erste Liebe, Bartolomeo, wird vom eigenen Vater erstochen, weil er einer anderen
Frau als Rosa Fiore versprochen war. Man kennt das Thema: das höchste Gut des
Sizilianers ist seine Ehre und selbstredend haben diese Heißblüter immer
irgendwelche mafiösen Connections.
Um ihr Unglück zu vergessen, kocht, backt und brät Rosa Tag und Nacht - bis es
ihrer Familie schlussendlich zu viel wird. Rosa muss die Flucht nach Palermo
antreten. 25 Jahre später ist sie zweite Hilfsbibliothekarin und lebt einsam
und als komische Jungfer verlacht in ihrer winzigen Wohnung. Da naht Rettung in
Form eines undurchsichtigen englischen Gentlemans, der sich für alte Bücher
über sizilianische Kochkunst interessiert. Aber nicht nur dafür, denn auch die
fast verblühte Rosa Fiore weckt seine Leidenschaft. Weil auch in Rosa das
nymphomanische Talent ihrer Mutter schlummert, kommt es in der Folge zu
orgiastischen Begegnungen der beiden, bei denen gekocht und geliebt wird, was
das Zeug hält.
Dann verschwindet - wie weiland Rosas Vater - auch der Engländer. Hatte ihr
Mafia-Bruder Luigi von Chicago aus die Hand im Spiel? Wie viele andere bleibt
auch diese Frage offen. Jedenfalls holen die erfolgreich gewordenen
zweiköpfigen Brüder Pace und Guerra ihre große Schwester heim ins Dorf und
nun kocht Rosa wieder - diesmal jedoch ohne erotische Komponente.
Die seltsamen Brüder tragen die hübschen Namen Krieg und Frieden, dann gibt es
beispielsweise noch Biancamaria Ossobucco, Antonio Calabrese und Nonna Calzino.
Skurril und deftig sind nicht nur die Sexszenen, sondern auch so manche
phantasieanregende Beschreibung wie "mit einem Satz stieß ich den
Gewehrlauf in Antonia Calabreses Hintern und drückte ab. Es dauerte eine Zeit
lang, ehe diese dämliche Balbina Burgondofara kapierte, was los war, so
entzückt war sie von der Manneskraft meines Gemahls..."
Fazit
Tja, diese Geschichte ist nichts für schwache Gemüter und auch nichts für
prüde Zeitgenossen. In vielerlei Hinsicht erinnert der Roman an den Film Leolo.
Die Brigitte schrieb "La Cucina Siciliana macht Spaß, und wer die Rezepte
nachkocht, kann das Vergnügen beliebig verlängern." Ersteres stimmt. Wie
man allerdings Rezepte ohne Mengenangaben nachkochen kann, erschließt sich mir
persönlich nicht.
Vorgeschlagen von Heide John
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veröffentlicht am 15. Oktober 2006 2006-10-15 17:26:47