"Wie schnell sich die Dinge ändern. Vor weniger als drei Wochen war ich
noch ein zufriedener Pessimist in einem aufgeräumten Leben."
Als der Drehbuchautor Christian Uhlig am Morgen seinen Computer einschaltet,
findet er die E-Mail einer Unbekannten. Sie stammt von Jana Brüggemann, einer
jungen Architekturstudentin, die sich begeistert über einen TV-Film äußert,
zu dem Uhlig das Script geschrieben hat. Der Autor fühlt sich geschmeichelt,
zumal sein bester Freund exakt diesen Film ebenfalls per Mail total verrissen
hat, und antwortet ihr sofort.
Der Titel des Romans ist dabei zunächst Programm, Jana selbst behauptet von
sich ein Singvogel zu sein: "Ich plappere, dabei wollte ich doch extra kurz
schreiben, um meine Freundin nicht zu nerven. Aber ich bin ein Singvogel - ich
muß immer plappern."
Aus dem anfangs unverbindlich-lockeren Plauderton entwickelt sich ein
ausgesprochen intensiver, höchst intimer E-Mail-Austausch und in dessen Folge
eine Bindung, mit der der Drehbuchautor keinesfalls gerechnet hat: Aus Neugierde
wird Interesse - und aus Zuneigung erwächst eine immer tiefer werdende
Verbundenheit. Und so werden auch die Mails der beiden Protagonisten zunehmend
privater. Jana berichtet, dass der Mann, den sie Zeit ihres Lebens für ihren
Vater hielt, gar nicht ihr Vater ist und dass sie sich von ihrem Freund getrennt
hat. Christian erzählt von sich, von seiner in die Jahre gekommenen Ehe, seinen
Selbstzweifeln und von seiner beginnenden Midlife-Crisis.
Und er gerät mehr und mehr in den Sog des fremden Lebens: Janas gekränkter
Exfreund schickt ihm bedrohliche Mails, Anhänge mit pornografischen Bildern und
schreckt auch nicht vor Vandalismus zurück.
Aber auch der Drehbuchautor verstrickt sich mehr und mehr in sein Lügengewebe,
er verschweigt seiner Frau den E-Mail-Verkehr und ist beinahe erleichtert, als
sie sich aus beruflichen Gründen auf eine längere Reise begibt, denn so ist es
leichter für ihn, die stetig wachsenden Irritationen seines Gefühlslebens vor
ihr zu verbergen.
Als Jana mit einer Studentengruppe nach Venedig reist, treibt es auch Christian
dorthin. Er will die junge Frau, über die er nun schon so viel weiß, endlich
in Augenschein nehmen. Gemeinsam sitzen sie in einem Internet-Cafe und in
Echtzeit mailt Jana ihm, dass sie ihn erkannt habe, schließlich würde sie sein
Foto von der Autoren-Homepage kennen. Christian gibt sich jedoch nicht zu
erkennen und flieht.
Aber dann kommen Wahrheiten ans Tageslicht, die alles für immer verändern...
Thommie Bayer beschreibt die Geschichte des alternden Helden Christian, der fest
in seinem bürgerlichen Leben verhaftet ist, mit großem psychologischem
Feingefühl. Er und auch Jana sind glaubwürdige Protagonisten. Der Leser mag
sich oft als Voyeur fühlen, wenn er die zunehmenden intimer werdenden Mails der
beiden liest, aber er kann sich vermutlich sowohl in Jana als auch in Christian
Uhlig hineinversetzen.
Fazit
Wie viele seiner deutschsprachigen Kollegen glaubt leider auch Thommie Bayer
seit ein paar Jahren, dass ein "guter Roman" zwangsläufig auf
kriminalistische Elemente angewiesen ist. Die überraschende Wendung gegen Ende,
durch die Christians und Janas Geschichte aufgelöst wird, ist von langer Hand
vorbereitet und erzeugt einen positiven Spannungsbogen, glaubwürdig ist sie
allerdings nicht. Gleiches gilt für den Schluss des Romans - war diese Dramatik
wirklich notwendig?
Dennoch handelt es sich um einen gut geschriebenen, interessanten und durchaus
lesenswerten Roman!
Vorgeschlagen von Heide John
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veröffentlicht am 15. Oktober 2006 2006-10-15 17:19:32