Im Mittelpunkt des vierten Romans der Tochter von Liv Ullmann und Ingmar
Bergmann stehen drei Mädchen: Die Halbschwestern Erika, Laura und Molly. Zu
ihrem Vater, dem Arzt Isak Lövenstadt, haben alle drei ein durchaus
ambivalentes Verhältnis. Aber auf ihre Art buhlt jede der drei nach Kinderart
um die Liebe und das Verständnis des eigenwilligen, charmanten Schürzenjägers
über den man auf der Insel munkelt, dass er noch mehr illegitime Sprösslinge
in die Welt gesetzt habe. Aber nur die drei Töchter unterschiedlicher Mütter
dürfen alljährlich die Sommerferien bei Isak auf der Insel Hammersö
verbringen. So lange zumindest, bis ein tragisches Ereignis die Tradition
unterbricht...
Fünfundzwanzig Jahre später sind die Töchter längst erwachsen - und ihr
eigensinniger Vater wartet in Hammersö auf den Tod. Vor allem Erika drängt es,
den Vater noch einmal zu besuchen, obwohl sie der Begegnung mit äußerst
gemischten Gefühlen gegenübersteht. Ihre Reise, die im eisigen Winter
stattfindet, wird zu einer Reise in die Vergangenheit - und deckt eine alte,
ungesühnte Schuld auf.
Ullmanns Kunst besteht darin, überaus geschickt die Perspektive zwischen
Erwachsenen- und Kinderwelt zu wechseln. Das ist für den Leser nicht immer
leicht nachzuvollziehen; wenn er sich darauf einlässt, begreift er jedoch, dass
hier eine neue Stimme laut und ein origineller, interessanter Stil geprägt
wird.
Linn Ullmann beschreibt auch das abrupte Ende der Kindheit. Besonders
eindringlich ist ihr die Geschichte Erikas gelungen: Ihr Versuch, einen Platz in
der Mädchenclique der gnadenlosen Marion zu finden, zeigt die
Pubertätsprobleme und die Wirren der Adoleszenz. Die latente Neigung zu
hemmungsloser Grausamkeit, mag so mancher Leser in seiner Jugend auch am eigenen
Leib erfahren haben. Der, den Erika eigentlich mag, ist der Außenseiter Ragnar,
der Junge, der am selben Tag Geburtstag hat wie sie. Ragnar ist das Opfer - und
Ragnar bildet das Zentrum der unbewältigten und niemals zu bewältigenden
Schuld. Und Anteil an dieser Schuld haben alle: Isak, der Schweigende, Erika,
die ihn verraten hat, Marion, die symbolisch den ersten Stein warf, aber auch
alle anderen...
Fazit
Der Roman handelt von Ankunft und Abschied, vom Kommen und Gehen. Als die drei
Töchter nach diesem - für jede von ihnen ereignisreichen - Vierteljahrhundert
endlich wieder vor der Türe ihres Vater stehen ist die letzte Ankunft zugleich
mit einem Abschied verbunden.
Vorgeschlagen von Heide John
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veröffentlicht am 15. Oktober 2006 2006-10-15 17:18:28