Peter Glotz hat von dem vorliegenden Buch gesagt, es sei das beste
außenpolitische Buch eines deutschen Politikers seit den frühen Arbeiten von
Helmut Schmidt. Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. No nie habe ich auf
so kurzem Raum so viel über die leidgeprüfte Geschichte Deutschlands seit der
Reformation und die Gründe seines "Sonderwegs" gelesen wie hier. Und
auch die im abschließenden 5. Kapitel daran anschließenden Empfehlungen an die
deutsche Außenpolitik, an der Politik der Westintegration, der europäischen
Integration und einer zivilen, multilateralen Außenpolitik festzuhalten, ist
wohlbegründet. Fischer stellt - wie es dann erst im Jahr 2000 der Historiker
Hans-Heinrich Winkler tun sollte, eindeutig dar, dass Deutschland einen
Sonderweg ging, indem es der Moderne, politisch ausgedrückt im liberalen
Verfassungsstaat und der Demokratie als Regierungsform, auswich. Bismarck schuf
- so schreibt es später auch Winkler - einen Einheitsstaat durch eine
"Revolution von oben", d.h. er ging ein Bündnis mit der deutschen
Nationalbewegung ein und schuf als "weißer Revolutionär" (Lothar
Gall) die Einheit von oben. Doch die Freiheitsfrage blieb - ebenso wie die
soziale Frage - virulent und dass diese im 19. Jahrhundert nicht gelöst wurde,
führte zu Krieg, Niederlage und - durch den psychologisch auf Deutschland
verheerend wirkenden Versailler Vertrag, verbunden mit Inflation und
Wirtschaftskrise, zum Nationalsozialismus unter Hitler. Hitler war kein
"Wilhelm III.", jedoch stand er in Kontinuität zur deutschen
Geschichte; es gab - wie Haffner auch bilanziert hat - Elemente von Kontinuität
und Diskontinuität in der deutschen Geschichte. Hitler war "kein
Betriebsunfall", wie es Fritz Fischer einmal pointiert ausgedrückt hat.
Erst die Westintegration und die innere Demokratisierung führte dazu, dass der
deutsche Sonderweg beendet wurde - eine These, die auch Winkler in seinem
zweibändigen Werk: "Der lange Weg nach Westen" vertritt.
Aufgeschreckt von Renationalisierungsgedanken der "neuen Rechten"
warnt Fischer - auch in Anbetracht des - damals voll entbrannten -
Jugoslawienkrieges und der Fehler der deutschen Diplomatie bei der vorzeitigen
Anerkennung von Kroatien und Sloweniens gegen den Willen der übrigen
Westmächte - vor einem Rückfall in Nationalismus. Nur die europäische
Integration und eine zurückhaltende deutsche Außenpolitik könnten dies
verhindern.
Fazit
Ein sehr gutes - und heute durch die wachsende Zahl von Auslandseinsätzen der
Bundeswehr, die unter dem späteren Außenminister Joschka Fischer unter der
rot-grünen Bundesregierung verfünffacht wurden - unvermittelt wieder aktuell
gewordenen Buches. Unbedingt lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 07. Oktober 2006 2006-10-07 21:29:33