"Das Ouzo Orakel" ist der dritte Band einer Trilogie, die der
norddeutsche Autor Frank Schulz 1991 mit "Kolks blonde Bräute"
begann. Im ersten Buch, von Schulz passend als "Säufernovelle"
bezeichnet, berichtet sein Held Bodo aus dem Leben des versoffenen Postboten
Kolk und anderer Hamburger Kneipengestalten, und zwar in weitgehend
lautmalerischer Sprache und alltagserprobten Formulierungen. Vor fünfzehn
Jahren waren sich so gut wie alle Rezensenten einig: ein Meisterwerk. 2004
folgte "Morbus fonticuli", so benannt nach einer Krankheit, die Bodo
bei sich selbst diagnostiziert und die ihn in die Irrenanstalt bringt. Der
dritte Teil von Bodo Mortens Geschichte spielt in Griechenland. Dort lebt der
krisengeschüttelte Mittvierziger, nachdem er aus der psychatrischen Klinik
entlassen worden ist, seit fünf Jahren. Mit eiserner Disziplin erwehrt er sich
der Gefahren des Lebens: Doäß (= Durst, Alkoholsucht) und Liebeswahn (=
Frauen). Doch dann taucht seine Jugendliebe Monika auf - der Anfang vom Ende von
Bodo’s Zeit am Ionischen Meer. Zwei Wochen reichen aus, um ihn wieder dorthin
zu bringen, wo das Verhängnis seinen Anfang nahm: an die Flasche. 530 Seiten
lang sind diese vierzehn Tage, und sie erscheinen noch umfangreicher, denn
wieder spielt Frank Schulz mit Wort- als Schriftsprache, und erklärende
Fußnoten und Anmerkungen gibt es reichlich. Neben der schönen Landschaft sind
auch die Charaktere äußerst detailliert skizziert, und mitunter weitschweifige
philosophische Streifzüge erfordern, dass sich der Leser gänzlich auf das Buch
einläßt. Aufgewogen werden diese literarischen Fußangeln jedoch durch eine
Vielzahl an urkomischen und/oder brillianten Gedankengängen über Sucht,
Überzeugungen, die Liebe, den Glauben. Im Kern kommt Frank Schulz jedoch ein
weiteres Mal auf in allen seinen Romanen wiederkehrendes Hauptthema zurück: die
Sehnsucht des Menschen nach Heimat, nach Verwurzelung, nach der Kindheit. Doch
selbst seine zahlreichen spöttischen Seitenhiebe auf "Zen-Sven" mit
seiner maulfaul berlinernden "Straßenecken-Esoterik" können nicht
den Blick darauf verstellen, dass auch Frank Schulz einer der Autoren ist, die
mit ihren Büchern die Welt ihrer Leser ein kleines bischen wiederverzaubern
möchten. Es gelingt ihm ausgesprochen gut.
Fazit
Eines der schönsten Bücher, die ich kenne: die Charaktere könnten neben Dir
in der Kneipe sitzen, ihre Ideen und Macken sind nachvollziehbar, die Geschichte
ist glaubwürdig, alles ist in sich stimmig - sogar jedes einzelne Wort sitzt.
Wunderbar!
Vorgeschlagen von Annette Rieck
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veröffentlicht am 07. September 2006 2006-09-07 13:10:55