Nach Amerika kommen, heißt irgendwie auch, nach Hause kommen. Der
nuschelig-breite Texanerakzent des Taxifahrers, die klinisch sauberen Malls, die
Hügel von San Francisco mit den fotogenen Uraltcablecars, die riesigen
Glücksspielpaläste von Reno, Nevada, die halbwüste Steppenlandschaft Utahs,
die Ponderosa-Kulisse am Lake Tahoe, die Stephen-King-öde Kleinstadt The
Dalles, Oregon, die Mütter, die Calvin-and-Hobbes-Raubdrucke verkauften, um
Geld für eine Highschool-Veranstaltung zu sammeln, die abgerissenen Obdachlosen
in Portlands Downtown, die quietschgelben Schulbusse: Alles kam mir im
Urlaubssommer 1993 vertraut und neu zugleich vor, wie ein Ort, den man als Kind
verlassen hat und als Erwachsener wiedersieht.
In die Staaten bin ich mit einem Haufen Bilder im Kopf gereist. Hollywood und
andere Medien hatten sie mir dorthin gestopft, und es fiel mir nicht schwer, all
das irgendwie auch wiederzufinden. Daneben gab's vieles, was mich überraschte,
klar, trotzdem: Von keinem anderen Reiseziel hatte ich vorher ein so
detailliertes Bild wie von den Staaten.
AMERIKA! AMERIKA?
Selbst wer Tower und Big Ben nicht auseinanderhalten kann, weiß, daß die
Freiheitsstatue in New York steht, selbst wer Sigmar Gabriel nicht kennt, weiß,
wer George Bush jr. ist: Nach dem Zerfall der Sowjetunion sind die USA die
einzige verbliebene Weltmacht, ihre Filmkultur kommt weltweit in die
Kinoprogramme, ihre Musik dominiert weltweit die Charts, ihre Politik bestimmt
weltweit über Krieg und Frieden, an ihrer Wirtschaft hängen weltweit die
Konzerne und Volkswirtschaften. Wie kein anderes Land, keine Diktatur, keine
Musterdemokratie, standen und stehen sie auch in der Kritik. Während
Antiamerikanismus ein in Deutschland wohlbekanntes und weitverbreitetes
Phänomen ist, gibt's für vergleichbare Haltungen gegenüber Schweizern, Polen,
Dänen oder Franzosen nicht mal mehr ein Wort, geschweige denn nennenswerte
Beispiele.
Daß das so ist, war nicht selbstverständlich: Als sich die dreizehn
Gründerstaaten Ende des 18. Jahrhunderts aus britischer Oberhoheit lösten und
eine revolutionäre, weil republikanische Verfassung gaben, war nicht
vorauszusehen, daß aus den paar Kleinstädten, Farmerdörfern und
Baumwollplantagen mehr werden würde als das, was aus, sagen wir, Brasilien,
Mexiko oder Australien wurde.
Faktisch geschützt durch die Flotten des Britischen Empires, waren die USA
über das 19. Jahrhundert ein zwar wirtschaftlich prosperierendes, aber doch
eher wenig beachtetes Stück Neue Welt. Zur Weltmacht wurden die USA im Verlauf
zweier Weltkriege, die die Europäer (und besonders die Deutschen) aus nichtigen
Anlässen untereinander vom Zaun brachen. Bis ins 20. Jahrhundert hatten sich
die USA damit begnügt, leuchtendes Vorbild zu sein. Mit Präsident Wilson und
dem von ihm konzipierten Völkerbund begannen die USA, aktiv in die Händel
anderer Länder einzugreifen, ihren Verbündeten und Handelspartnern beizustehen
und weltweit das zu verbreiten, was man vereinfacht "amerikanische
Werte" nennen kann.
"ZUR WELTMACHT VERDAMMT"
Der Buchtitel ist schon die Zentralthese des Bonner Politikwissenschaftler
Christian Hacke: Die US-Amerikaner haben sich ihre Weltmachtrolle nicht gesucht,
sie ergab sich aus einer ganzen Reihe von Faktoren. Immer wieder erstarkte und
erstarkt der Isolationismus, der Wunsch, die Welt Welt sein zu lassen und
amerikanische Politik auf Amerika zu beschränken.
Es war nicht nur die Einsicht in die eigenen - weltweiten - wirtschaftlichen und
Sicherheitsinteressen, die Amerika zu einer aktiven Rolle zwangen: Genauso, und
in weit stärkerem Maße als in Europa, richtet sich amerikanische Weltpolitik
nach moralischen Vorgaben und Maßstäben - zumindest in der Theorie. Amerikaner
erwarten von ihren Präsidenten, daß sie ihre Politik an den
"amerikanischen Werten" ausrichten, an Freiheit, Demokratie,
Marktwirtschaft und Menschenrechten, auch an Wohlstand und Solidarität.
Welche Politik die amerikanischen Präsidenten seit den 60ern, von Kennedy bis
Bush jr., bis heute betrieben haben, und warum, versteht man nicht, wenn man
nicht dieses Spannung von Interessenpolitik einerseits und
moralisch-universellem Anspruch andererseits kennt. Oft genug wurde dabei
Machtinteressen nur moralisch verbrämt, führten Fehleinschätzungen zu
katastrophalen Folgen, wurden Fehler gemacht und höchst fragwürdige
Entscheidungen getroffen.
VON DER "NEUEN GRENZE" ZUR BUSH JR.S ERSTEN SCHRITTEN
Im amerikanischen Regierungssystem hat der Präsident eine Schlüsselrolle, die
so in Europa unbekannt ist. Der "Secretary of the State", der
Außenminister, hat eine weit weniger eigenständige Rolle als in Europa:
Nominell "berät" er den Präsidenten nur. Auch der
Verteidigungsminister und der Nationale Sicherheitsberater bestimmen die
Außenpolitik maßgeblich mit, der Kongreß hat in entscheidenden Fragen
wichtige Einspruchsrechte, und da amerikanische Außenpolitik besonders stark
wirtschaftlich ausgerichtet ist, hat auch der Finanz- und Handelsminister
einigen Einfluß. Erstaunlich wenig Einfluß haben üblicherweise die
Vizepräsidenten, die oft genug von der innerparteilichen Opposition gestellt
werden und entsprechend wenig Sympathie beim Amtsinhaber genießen.
Anders als in Deutschland wechselt ein neuer Präsident üblicherweise nicht nur
die Minister, sondern auch die höheren Fachbeamten aus. Die Außenpolitik
richtet sich deshalb viel stärker nach den Vorstellungen des jeweiligen
Präsidenten, und auch Christian Hacke unterteilt seine Darstellung nach den
Amtszeiten der Präsidenten.
John F. Kennedy begann 1961 unter dem Motto der "New Frontier". Auf
den Sputnik-Schock antwortete er mit dem ehrgeizigen Plan, einen Menschen auf
den Mond zu bringen. Der Herausforderung des Kommunismus begegnete er einerseits
mit der Forderung, den sozialen Wandel in der Welt zu fördern - und
andererseits mit einer Politik der Eingrenzung.
Kennedy pokerte nicht nur hoch, als er Kuba blockieren und des
Nuklearraketen-Transports verdächtige Schiffe aufhalten ließ: Nur durch das
Einlenken Chruschtschows in letzter Minute kam es zu keinem Dritten Weltkrieg.
Kennedy vergrößerte auch das US-Engagement in Vietnam. Aus einigen wenigen
Beratern, die der Regierung in Südvietnam helfen sollten, sich gegen den
kommunistischen Norden abzusichern, wurden bald mehrere tausend. Während das
lokale Regime seine Bevölkerung unterdrückte, Hilfsgelder versickern ließ und
jegliche Sympathien bei den Beherrschten verlor, wollten die US-Amerikaner auf
keinen Fall eine weitere Ausdehnung des Einflußbereichs Moskaus zulassen.
Die Furcht vor einer kommunistischen Weltverschwörung (die es so nicht gab)
bestimmte auch die Politik Lyndon B. Johnsons. Nach dem Mord an Kennedy 1963 an
die Macht gekommen, wollte er sich auf die Innenpolitik konzentrieren. In der
Vietnampolitik wurde ihm einerseits geraten, sich vollständig zurückzuziehen,
andererseits, Nordvietnam und den Vietcong mit einem massiven Militärschlag zu
besiegen. Johnson entschied sich stattdessen dafür, den Einsatz
"gemäßigter" Mengen von Bodentruppen und eine
"gemäßigte" Zahl an Bombardements anzuordnen und den Südvietnamesen
"gemäßigte" finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Der Krieg
wurde zum endlosen Alptraum.
1969 folgte ihm der Republikaner Richard M. Nixon im Amt. Er setzte auf die
"Vietnamesierung" des Konfliktes und begann mit einem langsamen,
"ehrenvollen" Rückzug der Amerikaner. Nixons Politik gegenüber den
kommunistischen Großmächten war anspruchsvoll: Er baute auf gute Beziehungen
zur Volksrepublik China, um damit die Verwerfungen zwischen Peking und Moskau zu
nutzen. Den Kremlherrschern trat er mit Entschlossenheit und demonstrativer
militärischer Stärke gegenüber, zeigte sich aber auch bereit, gemeinsame
Interessen wahrzunehmen und zu verfolgen. Zusammen mit Außenminister Kissinger
erreichte er, daß die UdSSR mit den USA das Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT I
unterzeichnete. Parallel trug
Willy Brandt mit seiner Ostpolitik
entscheidend zum beginnenden Entspannungsprozeß bei.
Nixon stolperte über den Watergate-Skandal. Sein Nachfolger Gerald R. Ford
übernahm aber seinen Außenminister Kissinger und damit auch weitgehend die
Außenpolitik seines Vorgängers. Seine Regierungszeit stand unter keinem guten
Stern: Südvietnam und Kambodscha brachen zusammen, die Unterstützung von
Rebellen im unabhängig gewordenen Angola gegen die kubanisch und sowjetisch
gestützte Regierung führte zu einem langen Bürgerkrieg. Im Nahen Osten konnte
Kissinger zwar die ehemaligen Kriegsgegner Israel, Ägypten und Syrien zu
kleinen Zugeständnissen bewegen, zu einem umfassenden Frieden war jedoch keine
Partei bereit. Erfolgreich war Ford dabei, mit den Westeuropäern und Japanern
wirtschaftspolitisch zu Einigungen zu kommen.
Der Erdnußfarmer Jimmy Carter löste Ford 1977 ab. Für Menschenrechte und
Moral hatte er sich im Wahlkampf stark gemacht. Sein Idealismus und sein
Engagement trug einige spektakuläre Früchte: Der historische Friedensschluß,
den Carter zwischen Israelis und Ägyptern in Camp David vermittelte, brachte
ihm 2002 den Friedensnobelpreis ein. Gegenüber der Sowjetunion führten
öffentliche Forderungen nach mehr Menschenrechten, mehr Ausreiseerlaubnissen
und dergleichen mehr dagegen zu Irritationen. Die Sowjetunion ließ stattdessen
weniger Dissidenten und Juden ausreisen, und da Carter als schwach galt, scheute
man sich auch nicht vor der Invasion in Afghanistan zurück.
Letztlich brachte ihn seine Iranpolitik zu Fall: Der Herrscher des Irans, der
Schah, war traditionell Verbündeter der USA. Menschenrechtsverletzungen und
diktatorische Machthandhabung des Schahs wurden nun öffentlich kritisiert, die
Unterstützung wurde eingefroren. Carter setzte tatsächlich auf eine
Opposition, die eine Wende zum besseren bringen sollte - die aber weit und breit
nicht zu erkennen war. Carter, selbst frommer Christ, hegte aber die Illusion,
daß die Mullahs unter Ayatollah Khomeni eine gerechte und bessere Alternative
darstellen würden. Das erwies sich als Irrtum: Die langjährige Unterstützung
des Schahs, noch mehr die Entscheidung, ihm nach seinem Sturz Asyl zu gewähren,
namen die radikalen Muslime den USA besonders übel. Amerikanische
Botschaftsangehörige wurden von den neuen Machthabern als Geiseln genommen, um
damit Zugeständnisse zu erpressen - was auch gelang. Nur kamen die Geiseln
nicht frei. Ein mißglückter Befreiungsversuch brachte Carter endgültig zu
Fall.
In den letzten Monaten war Carter verbal und inhaltlich zu einer härteren
Haltung gegenüber der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten zurückgekehrt,
er orientierte amerikanische Unterstützung stärker an amerikanischen
Interessen. Glaubwürdig wurde er damit nicht, anders als sein Nachfolger Ronald
Reagan. Der ehemalige Schauspieler gab sich 1981 als eingefleischter
Antikommunist. Mit der Sowjetunion, die oft genug Verträge brach und nur soweit
zu Konzessionen bereit war, wie es ihren Machtinteressen half, ging er auf
Konfrontationskurs. Über den Umweg des Vatikans unterstützte er die
Solidarnosc-Bewegung in Polen. Die Forschung an SDI, seiner Idee eines
Raketenabwehrsystems (das bis heute nicht im Ansatz funktioniert), brachte die
UdSSR dazu, ebenfalls viel Geld für ein vergleichbares System aus dem Fenster
zu werfen. Hacke zumindest vertritt die Ansicht, daß der Konfrontationskurs des
Westens (inklusive des NATO-Doppelbeschlusses) letztlich die Wahl des Reformers
Gorbatschow und den Zusammenbruch der Sowjetunion herbeiführten.
Reagan blieb Gorbatschow gegenüber zuerst skeptisch, schwenkte dann aber ein
und rang ihm erhebliche Zugeständnisse ab. Als er dann 1987 in Berlin den
Abbruch der Mauer forderte, war er wohl der einzige, der geglaubt hätte, daß
es die zwei Jahre später nicht mehr geben würde.
Reagans Antikommunismus hatte allerdings auch negative Begleiterscheinungen: Am
Kongreß vorbei unterstützte er die rechtsgerichteten "Contras" in
Nicaragua, und zwar mit Geldern aus illegalen Waffenverkäufen an den Iran.
Innenpolitisch führte seine Hochrüstung und seine
"Reagonomics"-Wirtschaftspolitik zu Schuldenbergen, sozialer
Verelendung, wirtschaftlichem Niedergang, technisch-wissenschaftlichem
Zurückfallen und anderen Verwerfungen mehr.
Die Abwicklung der Sowjetunion, inklusive Wiedervereinigung, wurde schließlich
Aufgabe George Bush sr.s, der 1989 vom Vize- zum Präsidenten aufstieg. In
enormem Tempo brachte er zusammen mit Kohl eine Wiedervereinigung ohne Aufgabe
von NATO- und sonstigen Westbindungen Deutschlands zustande. Das Zeitfenster
dafür war letztlich klein: Mitte 1990 besetzte der irakische Diktator Saddam
Hussein das kleine Nachbarland Kuwait.
Hussein war damit im Besitz eines Viertels der Welt-Erdöl-Reserven. Lange Zeit
von den USA als kleineres Übel gegen den Iran unterstützt, suchte Bush gegen
ihn weltweite Unterstützung, um die irakischen Truppen wieder aus dem kleinen
Wüstenstaat zu vertreiben. Das gelang ihm 1991 auch in einem mit sechs Wochen
unerwartet kurzen und (auf alliierter Seite) verlustarmen Krieg. In der Folge
gelang es ihm allerdings nicht, aus dem militärischen Sieg politischen Gewinn
für die Lösung der Nahost-Probleme zu finden. In Somalia verhedderte sich Bush
in einem halbherzigen, letztlich wenig erfolgreichen Einsatz, der humanitäre
Hilfeleistungen schützen sollte.
Die wirtschaftlichen Probleme der USA überwand Bush sr. nicht. 1993 verlor er
daher gegen den demokratischen Gouverneur von Arkansas, William Clinton. Starke
Einschnitte ins ohnehin grobmaschige soziale Netz, massige Investitionen in
Bildung, Forschung und Technik, eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik und
wirtschaftliche Außenpolitik brachten einen ausgeglichenen Haushalt, den Abbau
der Schulden, wirtschaftliches Wachstum, sinkende Arbeitslosigkeit und rasch
zunehmendes Volksvermögen. Davon profitierten allerdings vor allem die Reichen
- Unterschicht und Mittelschicht kämpften weiterhin mit stagnierenden
Einkommen. Abgesehen von Johnson ist Clinton der einzige Präsident seit den
1960ern, der seinen Schwerpunkt auf die Innenpolitik legte.
Hackes Ausführungen enden mit der Wahl und den ersten Amtshandlungen Bush jr.s.
Mehr Raum widmet er der Frage, wie die Rolle der USA in der Zukunft aussehen
werden.
OVERNEWSED AND UNDERINFORMED?
Verwirrt? Neugierig geworden? Beides? Christian Hacke präsentiert vier
Jahrzehnte amerikanischer Außenpolitik auf gut 600 Seiten, dazu kommen noch
Fußnoten, Anhänge, Literaturverzeichnis und Personenverzeichnis. Das ist
reichlich Zeugs. Hacke schreibt knapp und hat Unmengen von Material
eingearbeitet.
Herausgekommen ist dabei eine unübersichtliche Übersicht. In den letzten
vierzig Jahren gab es reichlich politische Krisen und Erfolge, Kriege in
abgelegeneren Regionen, wirtschaftliche Entwicklungen und so weiter. In der
amerikanische Außenpolitik spielten so viele eine wichtige Rolle, daß man
leicht die Übersicht verlieren kann. Auf der anderen Seite bleibt auch für
kritische Einzelgeschehnisse nur wenig Platz: Viel mehr als eine erste
Orientierung für die Geschichte von beispielsweise Afghanistan-Besetzung,
Kubakrise, Nahostkonflikten, Bosnien-Krieg oder Wiedervereinigung bietet Hackes
Buch nicht. Das völlige Fehlen von Grafiken, Illustrationen oder auch nur
Tabellen im Haupttext macht das Buch noch unübersichtlicher.
Der Autor setzt dazu etwas Vorwissen voraus - und auch, daß sich der Leser
nicht von komplizierten Zusammenhängen und (gängigen) politischen
Fachbegriffen abstoßen läßt. Während das sein Buch nur anstrengend macht,
stört weit mehr, daß Hacke seine Bewertungen öfters ohne nachvollziehbare
Begründungen oder ausreichende Anbindung an den präsentierten Hintergründen
auf den Leser losläßt. Was dieser oder jener Politiker gewollt oder geplant
haben soll, muß man ihm öfters einfach glauben.
Christian Hacke sympathisiert offenkundig mit Deutschlands langjährigem
Außenminister Genscher und dessen Politik, und Hans-Dietrich Genscher schrieb
dann auch ein Vorwort zu diesem Buch. Sein politischer Grundkompaß ist wohl am
ehesten bürgerlich-liberal zu nennen. Hacke ist kein Antiamerikaner, bei weitem
nicht, aber er steht dem Land auch nicht unkritisch gegenüber. Seine Wertungen
sind differenziert und im wesentlichen nachvollziehbar. Er liefert genug Fakten,
so daß auch die, die im einzelnen zu anderen Schlüssen kommen, sein Buch mit
Gewinn lesen können.
OH SAY, CAN YOU SEE...
"Zur Weltmacht verdammt" ist kein Buch für alle und jeden. Wer
sowieso alles ablehnt, was mit Amerika und den Amerikanern zusammenhängt, wird
damit wenig anfangen können. Wer Realpolitik nur für ein schmutziges Geschäft
hält und mehr an moralischer Unangreifbarkeit und Fehlerlosigkeit denn an der
Lösung realer Probleme und Dilemmata interessiert ist, wird mit Hackes
wirklichkeitsnahem Politikverständnis wenig anfangen können. Wer keinerlei
Vorkenntnisse mitbringt oder gehaltvolle Sachtexte nicht gewohnt ist, wird nach
einiger Zeit genervt aufgeben.
Weltpolitik, und darum geht es in diesem Buch, ist kein populäres Thema:
Speziell in Deutschland genießt die eigene jüngere Vergangenheit und das
Verhältnis zu den Nachbarn weit mehr Aufmerksamkeit als beispielsweise
lateinamerikanische Wirtschaftskrisen, zentralafrikanische Kriege, asiatische
Bildungsreformen, nahöstliche Religionsstreitigkeiten oder australische
Flüchtlingspolitik. Der deutsche Horizont endet, auch und gerade in der
Politik, meist beim europäischen Bauchnabel. Sich weltweit für Entwicklungen
verantwortlich zu fühlen und sie mit langfristigen Perspektiven mitgestalten zu
wollen, ist derzeit nicht sonderlich in Mode. Deutsche Außenpolitik
insbesondere orientiert sich eher an den Erfordernissen der jeweils nächsten
Wahl.