Volker Skierka, mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichneter Redakteur, hat -
wie Henning von Löwis im Deutschlandfunk bilanziert hat, die Biographie eines
Mythos, eines lebenden Denkmals geschrieben. Sie ist ausführlich und beschreibt
Castros Leben - eingebunden in die Geschichte Kubas. Diese Lebensbeschreibung
der Person Castros leistet das, was eine politische Biographie tun sollte: die
Wechselwirkung zwischen Biographiertem und Gesellschaft aufzeigen. Castro ist
Kuba und prägt mit seinem Charisma dessen politisches System. Schon die
einleitenden Sätze des Castro-Freundes Garcia Marquez verdeutlichen die eiserne
Willenskraft dieses umstrittenen Charismatikers: "Eines ist sicher: Wo
immer er sein mag, wann immer und mit wem auch immer - Fidel Castro ist da, um
zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass es jemanden auf der Welt gibt, der ein
schlechterer Verlierer sein könnte als er. Sein Verhalten angesichts einer
Niederlage...scheint einer persönlichen Gesetzmäßigkeit unterworfen zu sein:
er wird es einfach nicht zugeben, und er wird keine Ruhe finden, ehe er es nicht
geschafft hat, die Bedingungen umzukehren und einen persönlichen Sieg daraus zu
machen." Diese Worte Garcia Marquez, nicht umsonst am Beginn dieser
Biographie, erklären viel vom Wesen Castros. Innen-, Gesellschafts-,
Wirtschafts- und Außenpolitik werden ausführlich - mit zahlreichen, i.d.R.
englischsprachigen Quellen - dargestellt. Die Kubakrise aus Castros Sicht ist
ausführlich dargestellt.
Doch das Verdienst dieser Biographie ist ein anderes: es zeigt mir, warum Castro
es geschafft hat, eine Revolution zu initieren und erfolgreich zu Ende zu
führen. Seine - nicht geringe - Popularität wird verdeutlicht. In der Tat
scheint er einer der letzten großen charismatischen Führungsfiguren zu sein -
egal, wie man zu diesen steht.
Doch auch die Schwächen des Modells Kuba verschweigt Skierka nicht: den Aufbau
des autoritären Systems, die Verfolgung politischer Gegner und auch die
Wirtschaftskrise, die das Land erschüttert. Diese differenzierte Darstellung
weicht wohltuend von früheren Darstellungen ab, die lediglich die
"Erfolge" Kubas im Blick haben - und dennoch sollte man konzedieren,
dass es den Kubanern heute vergleichsweise besser geht als vielen
lateinamerikanischen Ländern heute und in jedem Falle besser als unter der
Diktatur des Vorgängers Batista.
Ob sein Werk Bestand hat? Darüber vermag auch Skierka keine Auskunft zu geben,
wobei seine Voraussage, dass Raul Castro, falls er seinen Bruder überlebe, mit
Sicherheit zur neuen Führung gehören würde, durchaus zuzutreffen scheint.
Neben dem schon legendären Klassiker von E. Galleano über Lateinamerika
("Die offenen Adern Lateinamerikas") lernt man in dieser Biographie
viel über die Geschichte Kubas und Lateinamerikas und die Politik der USA
gegenüber ihrem "Hinterhof" kennen - Skierka lässt keinen Zweifel
daran, dass die - aus seiner Sicht verfehlte Politik der USA gegenüber Kuba -
zur Machtübernahme Castros entscheidend beigetragen hat.
Henning von Löwis Urteil: "Es ist nicht einfach, die Biographie eines
lebenden Denkmals zu schreiben. Der erste deutsche Castro-Biograph hat die
Aufgabe bravourös gemeistert" kann ich daher nur uneingeschränkt
zustimmen. Ich habe so viel über Kuba und seine Geschichte erfahren, wie
bislang in keinem anderen Werk.
Fazit
Gerade angesichts des wohl endgültig erfolgten Machtwechsels auf Kuba aufgrund
der Abgabe seiner Ämter und dem Aufstieg seiner "Jünger" Chavez in
Venezuela oder Morales in Bolivien bleibt das Interesse an Castro und den
Bedingungen seines Aufstieges auch über seinen Abgang hinaus interessant. Wer
sich darüber informieren möchte, ist mit dieser, der m.E. besten
deutschsprachigen Castro-Biographie, sehr gut beraten. Auch anlässlich seines
jetzt erfolgten 80. Geburtstags ist diese Darstellung am besten geeignet, mehr
über diese schillernde Persönlichkeit der Zeitgeschichte zu erfahren.
Unbedingt lesenswert!
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 12. August 2006 2006-08-12 14:19:39