Wer als Zwölfjähriger Zigaretten, Alkohol oder Sex kennen gelernt hat, wird
bis zu seinem zwanzigsten Geburtstag rapide gealtert sein. Aber sind die urbanen
Jungzwanziger reifer als die Generation vor ihnen?
Wenn Ric Graf von der Trennung seiner Eltern, dem Tod seiner Mutter und der
engen Beziehung zu seinem Freund Constantin erzählt, können seine Leser die
Gefühle des zwanzigjährigen Autors nachempfinden. Als Reaktion auf zähe
Aussichtslosigkeit hat er Magersucht-Erkrankungen und Selbstmord unter seinen
Freunden miterlebt. Einige haben den roten Faden in ihrem Leben nie gefunden.
Manche Erwachsenen tragen zur Verwischung der Rollenverteilung zwischen Eltern
und Kindern bei; sie wollen sich im Musik- und Modegeschmack nicht von
Jugendlichen unterscheiden. Die feiern derweil erst einmal; und sie können es
sich leisten. Doch die Entscheidung, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen,
die Antwort auf die lästige Erwachsenenfrage "Was willst du eigentlich
machen?" schieben sie immer wieder auf.
Akribisches Styling des metrosexuellen Großstädters bevor er das Haus
verlässt, das geschilderte Herumjetten zwischen Feten, Promis und Filialketten
erzeugt beim Leser Distanz, es lässt keine Gefühle zu. Haben Grafs Figuren
zwischen Feiern und Shoppen überhaupt Zeit zum Leben? Die "Generation
Praktikum" ist länger auf der Suche gewesen als jede andere vorher; sie
wollte sich lieber gar nicht als falsch entscheiden. Dem Druck in Ausbildung und
Beruf weichen Grafs Protagonisten zunächst aus und ersetzen ihn durch den
selbst auferlegten Druck, stets erreichbar zu sein, um die verwirrenden
Möglichkeiten der schönen bunten Oberflächlichkeit unter einen Hut zu
bekommen.
Fazit
Lesenswerte Erlebnisse eines privilegierten Großstädters.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 06. Juli 2006 2006-07-06 13:54:00