INHALT:
ALLEM FLEISCH EIN GREUEL enthält sieben phantastische Erzählungen von Thomas
Wagner, Kathleen Weise, John B. Ford, Michael Siefener, Quentin S. Crisp, Jörg
Bartscher-Kleudgen und Matt Cardin. Sie erzählen von von der Wahrheit, die
unter dem Schleier der Realität liegt, oder etwas, das im Wahn für Wahrheit
gehalten wird. Von der Wahrnehmung von mehr als der sichtbaren Wirklichkeit. Es
geht um die Wahrheit hinter der Lüge oder um ein verbotenes Geheimnis in einer
verschlossenen Kammer. Es geht um das Gesicht unter der Clownsschminke, um
Masken und Träume oder das Aufbrechen der Realität mittels Drogen und Worten,
oder dem Beginn einer neuen Zeit, die wirkt wie eine Halluzination. Es ist
Phantastik ohne Monster.
REZENSION:
Die Mischung nationaler und internationaler AutorInnen macht den Reiz dieser
Anthologie aus, in der besonders drei Geschichten ON TOP für sich in Anspruch
nehmen können: allen voran die von Thomas Wagner (von dem Mann müßte es viel
mehr zu lesen geben! Das würde das Genre erheblich beleben) Daneben waren für
mich die weiteren Highlights: Michael Siefener, Jörg Bartscher-Kleudgen und
Matt Cardin, von dem auch die Titelstory stammt. Aber auch die anderen Stories
halten ein souveränes Niveau. Das spiegelt sich besonders in den eher subtil
düsteren Handlungsbögen wider.
Allem Fleisch ein Greuel ist eine interessante Komposition der Stile und Plots
und stellst somit eine dankenswerte Abwechslung zu den vielen Themen-Anthologien
dar. Es ist sicher schön Projekte anzubieten, die thematisch einen "roten
Faden" haben, aber das sollte immer weniger zur ungeschriebenen
"Pflicht" werden. Diese Anthologie ist der beste Beweis dafür, daß
es dem Leser zugute kommt.
Die erste Novelle ist Die gelbe Zeit von Thomas Wagner. Nicht nur die erste auch
THE VERY BEST mit dem Prädikat "erzählerisch wertvoll". Eine
sprachgewaltige, teilweise bizarre, aber dennoch feine Erzählform die den
alltäglichen Horror auf sehr atmosphärische Weise rüberbringt. Ich habe es
schon in anderen Anthologien feststellen können, und das Bild rundet sich immer
mehr: Thomas Wagner ist ein Autor der Kurzgeschichte! Die Ausbeute derer, die
Short-Stories beherrschen ist gering, aber Thomas Wagner gehört eindeutig dazu.
Ein Satz der Geschichte sprach mir besonders aus der Seele: "Der Sommer
widerte ihn an, diese durch und durch ordinäre Jahreszeit mir ihren plumpen
Farben..."
Michael Siefeners Die steinernen Träume im typisch feinen, unheimlichen
Siefener-Stil handelt von einem Protagonisten, der nach einem persönlichen
Verlust von Kummer gezeichnet die Begegnung mit einer Heiligen des Ortes, an dem
sein verstorbener Vater gelebt hat, macht, deren Reliqiuen einen
verhängnisvollen Einfluß ausüben
In Die dreizehnte Kammer von Jörg Bartscher-Kleudgen rettet ein Walfangkapitän
eine Schiffbrüchige, und es entwickelt sich zwischen ihnen eine filigrane
Beziehung, die durch das Geheimnis des sonderbaren Mannes, das er in der
dreizehnten Kammer verbirgt, in Gefahr gerät. Der Stil des Autors ist wie immer
atmosphärisch und eher feingeistig düster. Genau die Prise, die es ausmacht,
und der Handlungsbogen wird durch einen geschickten Perspektivwechsel erfreulich
hoch gehalten.
Matt Cardin setzt sich in Allem Fleisch ein Greuel erzählerisch mit der
Auslegung der Bibel auseinander - in einem sehr interessantem
Party-Gesprächs-Plot.
Überhaupt zeichnet das die Anthologie aus. Sie lebt von der Bandbreite der
Stile und Handlungen, die nicht so sehr dem Klischee entspringen, wie es oft der
Fall ist. Aus diesem Grund unterscheidet sie sich dadurch von der breiten Masse
und ist ein weiterer Bausteine dafür, daß Kurzgeschichtensammlungen
verschiedener Autoren wieder mehr Raum haben sollten, als die einzelner Autoren.
Was auch besonders gelungen ist, daß die Herausgeber die Autoren nicht anhand
einer herkömmlichen Vita vorstellen, sondern schildern welchen Bezug sie zu dem
jeweiligen Autor haben und diesen dem Leser auf sehr persönliche Weise
vorstellen und näherbringen.
Für mich ist der einzige kleine Negativpunkt, daß die Anthologie nicht in eine
einheitliche Rechtschreibung gesetzt wurde. Aber das trübt in keiner Weise den
Lesegenuß. Was mir ebenso ein wenig fehlt, sind zu jeder Story eine
Illustration. Das hätte den Band auch optisch abgerundet.
Ansonsten ist die Aufmachung wie immer bei MEDUSENBLUT gewohnt gut: Covermotiv,
Papier, Druck, alles EINS A!!!
Fazit
Fazit: Eine lesenswerte Kurzgeschichtensammlung, die einen interessanten
Kontrast zwischen nationalen und internationalen Autoren bietet und von sieben
Geschichten drei sehr gute plus einem Highlight bietet.
Daher kann ich Allem Fleisch ein Greuel nur wärmstens empfehlen!
Vorgeschlagen von Alisha Bionda
[Profil]
veröffentlicht am 14. Juni 2006 2006-06-14 15:02:09