Francis Fukuyama, durch sein Buch vom "Ende der Geschichte" bekannt
geworden, legt hier eine argumentativ fundierte und überzeugende
Auseinandersetzung mit der Außenpolitik der USA unter George H. W. Bush vor.
Diese Politik charakterisiert er als "lenistisch", da sie - wie der
Gründer der Sowjetunion - den gewaltsamen Regimewechsel propagiere. Fukuyama
erläutert die verschiedenen politischen Strömungen des politischen Denkens in
den USA, wobei er insbesondere Realisten vom Schlage Henry A. Kissingers und
Neokonservative voneinander abgrenzt. Fukuyama, lange selber neokonservativ,
lehnte die Begründung gegen den Irak-Krieg ab. Diese habe ihn - so schreibt er
im Vorwort - niemals überzeugt. Daher sei er zu dem Schluss gekommen, dass er
den Neokonservatismus nicht länger unterstützen könne. Neokonservative
Politik lasse sich auf folgende Grundprinzipien zurückführen, die
kennzeichnend für die Regierung unter George W. Bush seien
1.) Die Überzeugung, dass der innenpolitische Charakter eines Regimes sich auch
auf dessen Außenpolitik auswirke und dass sich in der Außenpolitik die
tiefsten liberalen Werte demokratischer Gesellschaften ausdrücken müssten. Nur
demokratische Regime seien friedensfähig, daher müsse alles getan werden, um
die Demokratisierung zu fördern.
2.) Die Überzeugung, dass die amerikanische Macht zu moralischen Zwecken
eingesetzt wurde und werden solle und sich die Vereinigten Staaten auch
weiterhin in internationalen Angelegenheiten engagieren müssten.
Nun hat Fukuyama nichts gegen Demokratisierung. Diese werde sich langfristig
aufgrund der Modernisierung der Gesellschaften durchsetzen. Das Ende des
Ost-West-Konfliktes im Zusammenhang mit dem Untergang der Sowjetunion sei jedoch
ein Wunder und nicht voraussehbar gewesen. Die Reagan-Regierung habe mit nichten
- wie von den Neokonservativen behauptet - den Kalten Krieg durch den Ausbau des
amerikanischen Militärs gewonnen. Viele verschiedene Faktoren trugen zum Ende
dieses Ost-West-Antagonismus bei. Realistische Außenpolitik dürfe nicht auf
die Erwartung von Wundern beruhen, sondern müsse sich auf die
Wahrscheinlichkeit mehrerer demokratischer Übergänge in naher Zukunft
gründen. Demokratie könne nicht aufgewungen werden, sondern sei ein
evolutionärer Prozess und könne fremden Kulturen nicht
"aufgezwungen" werden. Realismus und Idealismus - bei Achtung der
Institutionen - seien gefragt. Der Autor nennt diese Denkschule
"realistischer Wilsonianismus", der im Umgnag mit anderen
Gesellschaften die Mittel besser auf die angestrebten Ziele abstimme. "Ein
realistischer Wilsonianismus unterschiedet sich vom klassischen Realismus darin,
dass er innere Vorgänge der einzelnen Staaten als relevant für die
amerikansiche Außenpolitik begreift... [Er] unterscheidet sich jedoch in einer
wesentlichen Hinsicht vom Neokonservatismus. Er nimmt internationale
institutionen ernst." (S. 21).
Fukuyama empfiehlt - hier in Tradition zu Autoren, die eher dem linksliberalen
politischen Spektrum in den USA nahestehen - die sogenannte "soft
power", der - in Anlehnung an Joseph Nye - ein Machtpotential bezeichnet,
welches nicht auf Attraktivität, Zustimmung und Freiwilligkeit beruhe.
Das interessante an diesem Buch ist, dass die Kritik an der amerikanischen
Außenpolitik unter George W. Bush nun von den "eigenen Leuten" kommt
und nicht mehr nur aus dem linksliberalen Spektrum. Die Schwierigkeiten bei der
Bewältigung des Regimewechsels im Irak lasse ein "Scheitern" Amerikas
wahrscheinlich werden, wenn sich die Außenpolitik nicht im oben beschriebenen
Sinne ändere.
Fazit
Das Buch mag in Einzelheiten nicht immer konsequent durchdacht sein (so wird
etwadie Institution der UNO sehr kritisch betrachtet und dennoch die
"Achtung vor den Institutionen" verlangt). Insgesamt stellt das Buch
jedoch eine beeindruckende argumentative Auseinandersetzung mit Bushs
Außenpolitik dar und ist zudem noch sehr verständlich geschrieben. Unbedingte
Empfehlung.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 03. Juni 2006 2006-06-03 16:00:11