"Im Labyrinth des Ghuls"
Der Schriftsteller Janosz Bracziskowsky ist davon überzeugt, daß es Wesen
gibt, an die der moderne Mensch nicht mehr zu glauben vermag. Er ist einem
leibhaftigen Ghul, einem Leichenfresser auf der Spur.
Aufgrund seiner Nachforschungen und Veröffentlichungen über die
verschiedensten Schattenwesen interessiert sich auch X-RAY-1 für den
Schriftsteller. Larry Brent und Iwan Kunaritschew werden nach London gesandt, um
Janosz aufzusuchen bzw. ihn für die PSA zu gewinnen. Leider ist dieser Hals
über Kopf zu einer spontanen Reise aufgebrochen. Iwan trifft nur noch Sandy
Whorne an, die hübsche Sekretärin des Autors
Larry hingegen wird zu Inspektor Higgins abberufen, da dieser einige seltsame
Vorgänge auf dem lokalen Friedhof genauer unter die Lupe nehmen will. Er ist
bei einer Graböffnung nebst dem eigentlichen Bewohner des Sarges auf den
frischen, teilweise angenagte Leichnam von Paul Morey gestossen. In dem Grab
findet Larry eine Art Tunnel, welcher in ein Labyrinth unter dem Friedhof
mündet.
Die PSA-Agenten sind sich sicher, auf das Werk eines Ghuls gestossen zu sein.
Bracziskowsky versucht derweil, auf der Osterinsel die Vergangenheit des Ghuls
aufzuklären. Hierbei stösst er auf die Geschichte von Johann Karnhoff und
seinem Sohn Franz. Beide sind auf dieser Insel in einer Höhle, die von dem
seltsamen Einsiedler Taikona bewacht wird, mit der Magie der Göttin
Rha-Ta-N’my konfrontiert worden. Ihre Neugier blieb aber nicht ohne Folgen:
Johann wurde schwachsinnig und vegetiert auf der Insel dahin, während sein Sohn
dem abstossenden Leben eines Ghuls fröhnen muss.
Larry und Iwan versuchen eben diesen Franz Karnhoff ausfindig zu machen. Bei
Sandy Whorne werden sie fündig, denn der Ghul versucht sie zu töten, da er
glaubt, das junge Mädchen wüsste etwas über die Nachforschungen ihres
Arbeitgebers.
Leider entwischt der Leichenfresser den Agenten, schlägt sogar Larry nieder und
verschleppt ihn in die Anstalt von Dr.Anthony Flowfield, welcher seit längerem
die Verhaltensweisen des Ghuls studiert. Um seine Nachforschungen nicht zu
gefährden, muss der Nervenarzt Larry in seiner Anstalt auf Nimmerwiedersehen
verschwinden lassen.
Währendessen kommt Bracziskowsky dem Geheimnis des Ghuls einen entscheidenden
Schritt näher - doch er zahlt einen hohen Preis für sein Wissen....
Der titelgebende Ghul ist bei Dan Shocker kein schleimiges, bösartiges Wesen
aus dem Dämonenreich, sondern fast schon eine dramatische Figur, welche zu
einem ausweglosen Schicksal verdammt ist. Ein interessanter Rahmen für eine
sehr spezielle Geschichte um einen dieser Leichenfresser. Die Jagd nach dem Ghul
hat ihren ganz eigenen Charakter.
Hinzu kommt noch die etwas fantastisch anmutende Szenerie auf der Osterinsel.
Die unheimliche Atmosphäre der Eröffnungsszene, als Paul Morey dem Ghul in
einem schaurigen Keller begegnet, oder aber auch als Larry und Iwan ihre
Nachforschungen auf dem Friedhof beginnen, geht auf der Insel etwas verloren.
Hier wird viel mit magischem Hokuspokus um sich geworfen, verschiebbare
Felswände und ein Höllenfeuer präsentieren sich dem Leser - auch wenn sich
die Handlung um die Höhle Rha-Ta-N’mys nahtlos in das Gesamtbild einfügt,
die Szenerie erinnerte etwas an die Indiana Jones-Filme und passt besser in die
MACABROS-Serie.
Insgesamt schafft Dan Shocker hier eine ausgefeilte, unterhaltsame Geschichte,
die mit dem dramatischen Finale zu einem krönenden Abschluss kommt...
"Die Alpträume des Mr.Clint"
Wie Gott sein - die eigenen Wesen erschaffen und ihnen das Leben
einhauchen...
Mit diesen wirren Gedanken beschäftigt sich der Künstler Lachlan Moodor-Clint
schon sehr lange und er arbeitet wie besessen an kleinen braunen Figuren, die er
hauptsächlich nach lebenden Vorbildern gestaltet. Da er der Überzeugung ist,
daß der Körper den Geist an seiner Entfaltung hindert, amputiert er sich in
seinem Wahn die Beine mit einer Guillotine, die über seinem Bett angebracht
ist.
Und tatsächlich schafft es Lachlan schliesslich, den von ihm geschaffenen
Skulpturen ein unheimliches Eigenleben einzuhauchen. Während er schläft und
träumt wandern die kleinen Wesen durch die Nacht, gehen den verschiedensten
Tätigkeiten nach, die leider meistens damit enden, daß jemand auf schreckliche
Weise ums Leben kommt. Häufig tritt auch der Fall ein, daß einige Personen
dadurch schwer verletzt werden oder das Zeitliche segnen, weil deren kleine
Kopien auf irgendeine Weise zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Larry Brent gerät in diese eigenartige Geschichte, indem er sich als Arzt
getarnt in einem schottischen Sanatorium für psychisch kranke Menschen
anstellen lässt. In der Klinik ist es seit kurzem zu mehreren unerklärlichen
Todesfällen gekommen, denen auch der leitende Beamte vor Ort Inspektor Artur
Dixon nicht gewachsen ist.
Und tatsächlich tritt wieder ein tragisches Ereignis ein - Dr.Floyd Merredith
wird tot in seinem Büro gefunden. Die Anzeichen sprechen dafür, daß ihm eine
Stricknadel in die Schläfe gerammt wurde. Larry und Inspektor Dixon finden
nebst der Nadel auch noch ein paar seltsame tönerne Figuren am Tatort. Dixon
nimmt diese Indizien mit in seine Herberge - ein schwerer Fehler, denn die
kleinen Männchen erwachen in der folgenden Nacht zum Leben und bringen dem
Inspektor einen grausamen Tod.
Larry führt seine Nachforschungen im Sanatorium fort. Hierbei trifft er auf den
Bruder von Dr.Merredith, der leider auch nicht sehr lange unter den Lebenden
weilt. Dieser gibt ihm aber ein paar entscheidende Hinweise auf die eigenartigen
Figuren und deren magisches Eigenleben.
Die PSA stösst auch auf einen Namen: Lachlan Moodor-Clint.
Morna Ulbrandson geht den Spuren dieses durchtriebenen Künstlers nach. Über
einen seiner ehemaligen Freunde macht die Schwedin die Bekanntschaft mit
Lachlans Schwester Lucille sowie seiner Frau Constance Moodor-Clint. Der
bedingungslosen Loyalität der beiden Frauen zu Moodor-Clint fällt Morna
beinahe zum Opfer. Bei ihren Nachforschungen wird sie von den Wahnsinnigen
überwältigt und auf Clints Bett gefesselt - ihr soll dasselbe Schicksal
wiederfahren wie dem Künstler, nur eben unfreiwillig.
Was die beiden PSA-Agenten nicht wissen ist, daß Larry der Wahrheit in der
Nervenklinik bereits sehr nahe gekommen ist, was dem praktizierenden Chefarzt
Dr.Frelly gar nicht in den Kram passt. Moodor-Clint ist sein Forschungsobjekt,
er hat ihm einen Unterschlupf in einem nahegelegenen Herrschaftsgebäude
eingerichtet, um ihn dort zu studieren. Zu seiner Sicherheit hat sich Dr.Frelly
mittlerweile eine Miniaturausgabe von Larry Brent anfertigen lassen...
Mit der Geschichte um den Künstler Lachlan Moodor-Clint und seinen magischen
Fähigkeiten hat Dan Shocker wieder mal eine feine Brise Innovation spielen
lassen. Fast schon metaphorisch mutet diese Geschichte an, wie z.B. der
Klassiker "Doctor Jeckyll and Mister Hyde" - das eigene Unvermögen
und der Gram auf die Welt wird in den eigenen Träumen verarbeitet. Auch bei
Lachlan werden sie zur schrecklichen Realität.
Die Figur Moodor-Clint selbst bleibt im Dunkeln, sie geniest nur einen sehr
kurzen Auftritt beim Finale. Man hört oder besser liest sehr viel über diesen
eigenartigen Menschen, wird aber nie richtig mit ihm persönlich konfrontiert.
Seine Befürworter, Angehörige und natürlich seine Geschöpfe agieren an der
Front, er selbst verbirgt sich im Schatten.
Für eine gehörige Portion Grusel sorgen eben diese kleinen fiesen Männchen -
kalte ausdruckslose Tonfiguren, die gnadenlos ihrem meist blutigen Auftrag
nachkommen, um dann wieder zu kalter Materie zu erstarren. Speziell die Szenerie
um Inspektor Dixon, als er in seiner Unterkunft von den erwachten Figuren
angegriffen und schliesslich qualvoll ermordet wird, sorgt für ein paar nette
Schauer.
Insgesamt haben wir hier wieder eine solide Story mit einigen interessanten
Einfällen und diversen Handlungssträngen, die in die unterschiedlichsten
Richtungen laufen, sich aber am Ende zu einem angemessenen Finale vereinen...
Fazit
Eine interessante und ausschlaggebende Gemeinsamkeit haben die beiden
Geschichten in diesem Band - wir lesen jeweils von einem kriminellen
Wissenschaftler, der sich das unheimliche Wesen zunutze machen will. Dr.
Flowfield benutzte den Ghul Franz Karnhoff, Dr.Frelly den magisch-begabten
Lachlan Moodor-Clint als willkommenes Forschungsobjekt. Die Schandtaten ihrer
Schützlinge nehmen sie billigend in Kauf, werden sogar selbst handgreiflich,
als diese von der PSA bedroht werden.
Diese Parallelen geben dem Band 26 einen ganz eigenen Rahmen, wobei sich
Thematik und Handlung doch sehr unterscheiden.
Pat Hachfeld hat für beide Geschichten wieder den Zeichenstift ausgepackt und
zwei herrliche Illustrationen umgesetzt. Als Thema für die Ghul-Story wurde
hier das Erscheinen der Dämonengöttin Rha-Ta-N’my gewählt, das zweite Bild
orientiert sich an dem Originalcover von Lonati, welches wir auch auf dem
Einband finden - nur wird hier der folgenschwere Angriff auf Inspektor Dixon und
nicht die Eingangsszene mit Harold Glancy (ein Nebencharakter, den ich in der
Zusammenfassung nicht erwähnt habe) dargestellt.
Neben der bereits erwähnten Qualität der Aufmachung möchte ich noch mein Lob
dem Lektoriat des BLITZ-Verlags aussprechen. Die teilweise häufiger
vorkommenden und störenden Rechtschreibfehler oder kleinen Patzer in den
Original-Vorlagen der Larry Brent-Romane sind hier alle sorgfältig ausgebessert
worden ...
Vorgeschlagen von Bjoern
[Profil]
veröffentlicht am 24. April 2006 2006-04-24 15:44:27