Wie würde unser Leben verlaufen, wenn wir wüssten, wann wir sterben? Dieser
Frage hat sich Katharina Bachmann in ihrem zweiten Roman "Deadline"
gewidmet. Nach der Trauerfeier eines engen Freundes war ihr vor einigen Jahren
aufgefallen, dass zwischen Geburts- und Sterbemonat vieler Verstorbenen auf dem
Friedhof nur drei Monate lagen. "Sinnsuche ist in erster Linie die Suche
nach Zusammenhängen. Das menschliche Schicksal erschließt sich nicht
rational." - Oder vielleicht doch?
Patricia, die Schwester der Hauptfigur Marc, liegt im Sterben. Die Ärzte geben
der Leukämiekranken nur noch wenige Wochen. Aus Verzweiflung versucht Marc,
eine Formel zu finden, um ihren Todeszeitpunkt zu berechnen. Nach wildem
Herumprobieren - im Buch beginnt er damit, die Quersumme des Geburtsdatums mit
365 zu multiplizieren und dann durch 24 zu teilen - scheint er Erfolg zu haben,
denn es ergibt sich ein Todesdatum für seine Schwester - eine Woche wird sie
noch leben. Panik befällt ihn jetzt schon, sieht er ihren Tod so nah vor Augen,
doch noch angespannter wird Marc, als sich seine Berechnung bewahrheitet. Wie
soll er nun mit der Entdeckung umgehen - kann er sie zu Geld verwandeln oder
sollte sie schnell wieder vernichtet werden?
Gehe ich vom rein literarischen Level aus, so liegt mit "Deadline" ein
gelungener Roman vor. Katharina Bachmann baut unglaubliche Spannung auf und
lässt Marc in so manches offene Messer laufen, zum Beispiel als seine Formel
auf einen Schlag doch ein falsches Ergebnis liefert. Die Charaktere bekommen
starke persönliche Züge; jeder hat sein eigenes begründetes und ersichtliches
Interesse an der Formel.
In einem Punkt kann ich Bachmann jedoch nicht ganz nachvollziehen. Die Suche
nach der Formel gleicht mehr wildem Suchen nach einem unbestimmten Ergebnis.
Denn in welcher Form soll das Ergebnis am Ende vorliegen? Erhält man über
verschiedene Formeln Tag, Monat und Jahr, oder ergibt sich eine Angabe in
Sekunden seit dem 1. Januar 1900? Und mit welcher Sicherheit liegt in der Formel
nicht zusätzlich noch ein absolutes Glied vor? Dass die Hauptfigur sich direkt
vom erstbesten Ergebnis vollkommen verschrecken lässt, wirkt nicht ganz
glaubwürdig, da jegliche Überprüfung unterbleibt.
Fazit
Spannung ja, mathematische Glaubwürdigkeit naja. Zu sieben Sternen reicht es
aber auf jeden Fall.
Vorgeschlagen von Nico Haase
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veröffentlicht am 10. April 2006 2006-04-10 17:47:51