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Bryan Ward-Perkins: The Fall of Rome and the End of Civilization

The Fall of Rome and the End of Civilization

von Bryan Ward-Perkins
Verlag: Oxford University Press [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-0-19-280564-5

Preis: 42,92 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. November 2024]
Die Epoche der Spätantike, diese Transformationsphase der antiken Mittelmeerwelt im Zeitraum vom Ende des 3. bis zum Anfang des 7. Jahrhunderts nach Christus, zählt zu den faszinierendsten Zeitabschnitten der Menschheitsgeschichte. Die Christianisierung des Römischen Reiches seit Konstantin dem Großen, die Völkerwanderung, die Formierung der germanischen Nachfolgereiche im Westen auf dem Boden des zerbröckelnden Imperium Romanum, der Untergang Westroms, der Einbruch des Islam und der Wandel des Oströmischen Reiches zum Byzantinischen Reich des Mittelalters - all dies beschäftigt seit Jahrhunderten die Gedanken der Menschen in Europa; es sei auch nur auf Edward Gibbons "Decline and Fall of the Roman Empire" hingewiesen. Lange Zeit galt die Spätantike als Verfallszeit, als Zeit des Niedergangs. Das hat sich in den letzten drei Jahrzehnten gründlich geändert: In der historischen Forschung wird vielmehr auf die originären Leistungen dieser Zeit aufmerksam gemacht und versucht, die Spätantike als eigene Epoche zu begreifen, die in vielerlei Hinsicht das Bild Europas entscheidend formte.

Diesem "Positivtrend" setzt der in Oxford lehrende Archäologe Ward-Perkins, der unter anderem Mitherausgeber des 14. Bands der "Cambridge Ancient History" war, ein wesentlich düsteres Bild entgegen. Die Spätantike war für ihn, wenigstens im Westen des Imperiums, eine Krisen- und Katastrophenzeit. Er wehrt sich explizit dagegen, diesen Zeitraum als Transformation zu begreifen: Auf den Punkt gebracht war es das "Ende der Zivilisation" im Westen, wo die Menschen in einigen Regionen, wie Britannien, auf einen prä-historischen Lebensstandard zurückgefallen seien. Diese Einstellung kommt bereits in den Kapitelüberschriften zum Ausdruck: "The Horrors of War", "The Road to defeat", "Living under the new Masters", "The Disappearence of Comfort" sind nur einige Beispiele für den eindringlichen Stil, den Ward-Perkins pflegt ([mit dem Fall Roms]..."Art, Philosophy, and decent drains all vanished from the West...") - und der, dies sei ausdrücklich hervorgehoben, absolut überzeugen kann.

Ward-Perkins gibt keinen detaillierten Überblick über die Ereignisgeschichte (dafür sei auf das Buch von Peter Heather verwiesen, welches ähnlich gut geschrieben ist, aber teils von einem anderen Ansatz ausgeht: Peter Heather, The Fall of the Roman Empire, London u.a. 2005), sondern betrachtet vor allem die Auswirkungen der Ereignisse auf die Menschen, die im Imperium lebten. Über die Ansiedlung der Westgoten in der Provinz Aquitanica II 418/19 (im heutigen südwestlichen Frankreich) schreibt er etwa: "I doubt very much that the inhabitants of the Garonne valley in 419 were happy to have the Visigothic army settled amongst them..." (S. 54). Gerade Ward-Perkins' archäologische Kenntnisse fließen immer wieder in die Darstellung mit ein und vermitteln dem Leser ein lebendiges Bild vom Verfall des Lebensstandards in Teilen des Imperiums.

Lebhaft und teils sehr detailliert schildert Ward-Perkins das Einsickern bzw. die Landnahme der "Barbaren", den darauf folgenden Verlust von Steuereinnahmen für das Weströmische Reich - und den Niedergang der Staatsgewalt im Westen sowie die Formierung der Nachfolgestaaten. Ostrom, der Teil des Römischen Reiches, der die Völkerwanderung intakt überstand, wird von ihm nur angerissen - das Erklärungsmuster greift hier auch kaum, denn schließlich bestand das in der Moderne als "Byzantinisches Reich" titulierte Reich im Osten noch bis 1453 fort.

So sehr der Rezensent Ward-Perkins' Stil nur loben kann, ebenso wie manche seiner äußerst intelligenten und scharfsinnigen Schlussfolgerungen: Anschließen will er sich seinem Gesamtfazit (S. 182f.) nicht. Sicher ist es unbestreitbar, dass die Spätantike mit zahlreichen Schrecken für die Bevölkerung der betroffenen Gebiete verbunden war. Verallgemeinern kann man dies jedoch nicht. Während in Britannien die römische Zivilisation bald nach dem Einbruch der Angel-Sachsen (die zudem nur in kleineren Gruppen auf die Insel kamen) unterging, florierte in Gallien die gallo-römische Kultur noch bis in die Merowingerzeit. Ebenso war das Reich der Westgoten nicht ein durch und durch "barbarisiertes Staatswesen", sondern knüpfte in vielerlei Hinsicht an die spätrömische Kultur an, was auch einige nicht unbedeutende westgotische Gesetze verraten. In Italien erlebte die spätantike Kultur unter dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen noch einmal eine gewisse Blüte und ging erst infolge der "Reconquista" des oströmischen Kaisers Justinian sowie durch den Einfall der Langobarden 568 zugrunde.
Fazit
So bleibt am Ende ein geteiltes Fazit: Ward-Perkins' Abhandlung über den Fall Roms bietet viele interessante Denkanstösse, ist hervorragend geschrieben und mit teils außergewöhlich guten Abbildungen versehen. Auch wird die neueste Forschungsliteratur miteinbezogen. Auf gut 180 Seiten Text wird dem Leser ein Panorama der spätantiken Welt ausgebreitet und ein fesselndes Leseerlebnis geboten. Freilich sollte man dabei nicht vergessen, welche anderen Interpretationsmöglichkeiten diese bewegte Zeit zu bieten hat - dabei sei vor allem auf Peter Browns Kulturgeschichte verwiesen (The Rise of Western Christendom, 2. überarb. und erweiterte Aufl., Oxford 2003), auf die Ward-Perkins teils explizit Bezug nimmt. Freilich verschweigt auch Brown nicht die Schrecken der Völkerwanderung, verweist aber auch stärker auf den kulturellen Wandel und die Metamorphose der antiken Welt.

Jeder Leser, der sich diesen teils äußerst komplexen Sachverhalten bewusst ist, wird Ward-Perkins' Buch mit viel Gewinn lesen und wird hoffentlich gerade über die Anregung des Autors auf S. 183 nachdenken: Die Römer glaubten, ihre Welt würde für immer weiter existieren, ohne irgendwelchen Wandel durchlaufen zu müssen. Uns geht es heute nicht viel anders.
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Vorgeschlagen von B. Kiemerer [Profil]
veröffentlicht am 07. Februar 2006

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