Ich habe zu dem vorliegenden Buch bereits eine Rezension zu einer früheren
Auflage verfasst. Die Neuauflage 2005 enthält jedoch eine solche grundlegende
Überarbeitung und Konzeption, dass ich persönlich sagen muss: ich habe bislang
kein Buch gelesen, welches sich so differenziert und kenntnisreich mit der
Außenpolitik von George Bush und der Rolle der USA im 21. Jahrhundert befasst,
wie die vorliegende Neuausgabe. Der Autor, Christian Hacke, kündigt im Vorwort
zutreffend an, dass er die Neuauflage seines Buches stark erweitert und um
folgende Fragestellungen erweitert hat:
1. Der Faktor Religion wird mit Blick auf seine Bedeutung für die amerikanische
Außenpolitik erstmals ausführlich berücksichtigt
2. Die unterschiedlichen außenpolitischen Kulturen in den USA werden
analysiert
3. Ein Kapitel enthält die transkaukasischen Beziehungen der USA und rückt so
die geopolitischen Perspektiven der US-Außenpolitik in das Blickfeld.
4. Es liegt erstmals eine differenzierte, nicht einseitig betrachtende Analyse
der Außenpolitik von George Bush vor
5. Das Kapitel über die außenpolitischen Denkschulen der USA wurde
erweitert
6. Ein - imposantes und grandioses Schllusskapitel beleuchtet die Rolle der USA
in der Welt des 21. Jahrhunderts und untersucht die Frage, ob die USA heute als
sanfter Hegemon, als Weltordnungsmacht oder als Imperialmacht neuen Typs zu
bezeichnen sind.
Besonders letzteres Kapitel zur Rolle der USA im 21. Jahrhundert ist nicht nur
interessant, sondern für die Analyse von weltpolitischen Prozessen
unverzichtbar. Der Autor beleuchtet mehrere Szenarien. Es könnte eine
Bipolarität zwischen den USA und der VR China entstehen. Es könnte ein
konfrontatives Machtdreieck USA-China-Rußland entstehen. Als konstruktive
Gegenmacht (Hacke) könnte eine Triade USA-Europa-Japan sich im Zuge der Dynamik
von Globalisierung weiterentwickeln. Vorstellbar ist daher eine Rückkehr zur
Multipolarität und einem Gleichgewichtsdenken, wie es das 19. Jahrhundert
geprägt hat. Dieser "hegemonial-multilaterale Altruismus" sei
allerdings zu schön, um wahr zu werden. Es könne auch eine unipolare Weltmacht
unter dem Imperium oder Hegemon USA entstehen. Hacke unterscheidet zwischen
klugen und unklugem Unilateralismus. Klug sei Unilateralismus dann zu nennen,
wenn die USA in Folge ihrer überwältigenden Machtfülle alleine entschieden,
für ihre Entscheidungen jedoch Gefolgschaft fänden, weil diese nachvollziehbar
seien. Als Beispiel wird die Anti-Kriegs-Koalition im 1. Golfkrieg 1990/91 unter
George H. W. Bush (senior) angeführt. In jedem Fall läge die "imperiale
Versuchung" heute darin, unklugen Unilateralismus zu betreiben, d.h. die
Führung der Welt gegen den Willen der Staatengemeinschaft durchzusetzen. Dies
zeigt, dass Hacke die Politik der Regierung Bush junior durchaus auch sehr
kritisch betrachtet. Wie in all seinen Publikationen geht er allerdings mit der
rot-grünen Außenpolitik während des Irak-Krieges sehr ins Gericht. Die
Politik der Regierung Schröder/Fischer habe zu einem Einflussverlust in
Washington geführt, ihre Argumente seien ungeschickt formuliert worden. Weil
die Regierung Schröder/Fischer Bush als Kriegstreiber hingestellt habe, sei
Deutschland am Ende machtpolitisch geschwächt und isoliert worden. Von
Isolierung kann zwar keine Rede sein, die Bedenken Hackes, die er auch jüngst
in der Zeitschrift: "Internationale Politik" Heft 8/2005 pointiert
wiederholt hat, sind allerdings ernst zu nehmen.
Fazit
Ich selber habe kein Buch gelesen, welches so verständlich geschrieben war,
differenziert argumentiert hat und mir einen derartigen Einblick nicht nur in
die amerikanische Außenpolitik, sondern auch die amerikanische Mentalität
vermittelt hat - auch wenn ich in einigen Punkten anders denke als Hacke. Die
Feststellung des früheren Außenminsters Genscher, dessen Laudatio auf Hackes
Buch im - unveränderten - Vorwort von 1997 nachzulesen ist, ist zutreffend:
Hacke habe den Mut gehabt, eine Gesamtdarstellung der amerikanischen
Außenpolitik der letzten 25 Jahre vorzulegen. Dies verlange Mut. "Den Mut,
nicht nur orientierende Schneisen in die Überfülle von Fakten zu schlagen,
sondern diese auch kritisch zu werten. Christian Hacke hat diese doppelte
Herausforderung gemeistert. Er hat eine hervorragend lesbare und zugleich
differenzierte Darstellung amerikanischer Außenpolitik geschrieben. Eine
Darstellung, die ihren Reiz nicht zuletzt auch von Christian Hackes Kunst der
Zuspitzung bezieht, jedoch nie das Gebot der Ausgewogenheit verletzt". Ich
kann mich - gerade was die Neuauflage angeht - diesem Fazit nur anschließen.
Für mich das beste Buch über amerikanische Außenpolitik und die Rolle der USA
im kommenden Jahrhundert, die ich kenne.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 23. August 2005 2005-08-23 13:19:04