Zum 100. Todestag von Thomas Mann suchte ich aus der Fülle der Literatur über
ihn einen kurzen Essay über ihn, welcher den Zusammenhang zwischen Person und
Werk herausstellen sollte. Das für mich interessanteste Portrait fand ich in
Marcel Reich-Ranickis Werk. Zugegeben, Marcel Reich-Ranicki ist ein Verehrer von
Mann. Aber sind nicht auch die Buddenbrocks ein wichtiges Werk des beginnenden
20. Jahrhunderts? Um es gleich zu sagen: ich habe selten so informatives über
den Zusammenhang zwischen Werk und Person eines Autors gesehen, wie in diesen
sieben, brilliant geschriebenen Essays. Wer eine Einführung in das Werk
wichtiger deutschsprachiger Schriftsteller des 20. Jahrhunderts sucht, ist mit
diesem Band gut beraten. "Indem Reich-Ranicki die Autoren in sein Spiel mit
den Romanen mischt, macht er sie für die Leser lebendig" schreibt Gert
Ueding - das Zitat findet sich auf der Rückseite der Taschenbuch-Ausgabe. Und
so ist es. Wir erfahren viel über Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Alfred
Döblin, Robert Musil, Franz Kaftka, Kurt Tucholsky und Bertold Brecht. Dabei
stellt Reich-Ranicki klar, dass er diese Autoren nicht unkritisch sieht. Er
schätzt den Psychologen, den Epiker Thomas Mann, er hält viel von den
"Verwirrungen des Zöglings Törless" von Musil, während er dessen
Mammutroman: "Mann ohne Eigenschaften" nichts abgewinnen kann - zu
langatmig und konzeptionslos sei dieses Werk. Manchmal mögen die Urteile zu
subjektiv gefärbt sein, auch die Länge der Essays ist sehr unterschiedlich:
Arthur Schnitzler und Franz Kafka werden etwa mit 22 Seiten abgehandelt, Döblin
erhält jedoch über 30, Thomas Mann über 80 Seiten. Hier liegt ein
Missverhältnis vor - was die Vorlieben des Verfassers für bestimmte Autoren -
wie Thomas Mann - verdeutlicht. Es hätten meines Erachtens gut und gerne
weitere Autoren, wie Siegfried Lenz oder Thomas Bernhard. Max Frisch oder
Heinrich Böll erwähnt werden können. Dies holt der Autor jedoch in seinem
Band: "Lauter schwierige Patienten" nach - wo er in Gesprächen mit
Peter Voß erneut auf wichtige Schriftsteller des 20. Jahrhunderts
eingeht.Dieser Band sei daher unbedingt als Ergänzung zu dieser vorliegenden
Sammlung an Essays empfohlen. Zum 100. Todestag Thomas Manns sei auch die
Neuausgabe von: "Thomas Mann und die Seinen" erwähnt, die im Februar
2005 erschienen ist und zum wichtigsten gehört, was über diesen Autor und
seine Familie geschrieben worden ist.
Fazit
Dennoch gehört dieser Band zu den lesenswertesten und unterhaltsamsten
Einführungen in Leben und Werk wichtiger deutschsprachiger Autoren des 20.
Jahrhunderts.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 31. Juli 2005 2005-07-31 11:07:03