Als ich das Buch "Prinzen" zur Rezension bestellte, da wusste ich
nicht viel mehr über das Buch, als das, was im Klappentext vermerkt war. Es
geht um ein Brüderpaar, Ravel und Indigo, die sich als Zwillinge wie ein Ei
dem anderen gleichen und zusammen in einem ziemlich verfallenen Haus leben.
Friedvoll - wie es scheint - bis zu dem Tag, als Ravel, der jüngere der beiden
Brüder, eine grauenvolle Entdeckung macht.
Hier sollte es also spannend werden, dachte ich. Und das wurde es auch.
Allerdings auf eine andere Art als ich zunächst gedacht hatte. Irgendwie
schwebte mir ein kurzweiliger Krimi vor Augen als ich das Buch das erste Mal zur
Hand nahm, doch die Geschichte, die die australische Autorin Sonya Hartnett hier
entwickelt hat, geht darüber weit hinaus. Sie schafft es, die Abgründe der
menschlichen Seele deutlich zu machen, geht dabei bis zur Perversion. Ist es
doch Indigo, der zunächst scheinbar "lebensfähigere" Zwilling, der
den Kontakt zur Außenwelt hält und im Keller fein säuberlich Ratten seziert.
Ravel dagegen lebt vollkommen zurückgezogen, verlässt das Haus nicht mehr und
vertraut sich ganz seinem Bruder an.
Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, desto deutlicher wird, dass mit
Indigo etwas nicht stimmt. Seine kranke Seele nimmt ihn immer weiter in Besitz.
Er verkennt mehr und mehr die Realitäten und versucht sogar, seinen eigenen
Zwillingsbruder zu töten - er gibt ihm schlichtweg Rattengift ins Essen. Die
Qualen, die Ravel ausstehen muss, sind fürchterlich.
Aber dieser versuchte Mord ist nicht das einzige Tötungsdelikt in diesem Haus.
Irgendwann verschwanden die Eltern der Brüder spurlos von der Bildfläche. Was
ist aus ihnen geworden? Die Frage, so viel sei verraten, bleibt offen. Aber die
Vermutung, dass Indigo auch sie getötet hat, liegt nahe.
Das Buch ist beklemmend. Ja. Es zeigt zwei Menschen, die außerhalb der
Gesellschaft leben. In einem Umfeld, dass von Zerstörung gekennzeichnet ist:
ein verfallenes Haus, Ratten haben sich längst alle Etagen erobert. Damit
korrespondiert die kaputte Seele eines der "Prinzen": Ist er als
Zwilling eins, ist er zwei, wo bleibt die eigene Identität bei einem
Brüderpaar, dass so eng miteinander lebt? Wie ist es, wenn man stets den
Spiegel vorgehalten bekommt, eins und doch nicht eins ist?
Fazit
Das Buch wird lieben, wer selbst an einer zerrissenen Seele leidet. Wer dagegen
"seichte" literarische Kost bevorzugt, sollte die Finger von der
Lektüre lassen. Denn eines fehlt dem Buch gänzlich: die positive Figur, mit
der man sich als Leser identifizieren kann. Allerdings kann man Mitleid
empfinden. Für Ravel, der fast gestorben wäre.
Vorgeschlagen von Martina Meier
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veröffentlicht am 26. Juli 2005 2005-07-26 20:04:36