"Wo Nacht und Norden enden, liegt über Nebeln die Feste der
Schneekönigin. Niemand hat ihr eisiges Reich je vermessen. Keiner geht ohne
guten Grund dorthin. Und kaum jemand ahnt, dass ihr Palast auch heute noch dort
steht, auf der letzten und höchsten aller Klippen, wo Stein und Eis zu Ewigkeit
verschmelzen", so mystisch schön beginnt der neue Roman des Fantasyautors
Kai Meyer, der erst vor wenigen Wochen auf den deutschen Buchmarkt erschienen
ist.
Kai Meyer, der sich gerade bei jüngeren Lesern mit zwei phantastischen
Trilogien - der Merle- und der Wellenläufer-Trilogie - einen guten Namen
erworben hat, legt nun wieder ein 300 Seiten starkes Buch vor, dass es in sich
hat. Wer es als reines Jugendbuch tituliert, der irrt - "Frostfeuer"
ist so spannend und herrlich märchenhaft-mythisch, dass alle Leser, die ein
Faible für dieses Genre haben, begeistert sein werden.
Gleich drei Hauptfiguren erschafft der Autor in diesem Buch: Tamsin Spellwell,
die Engländerin, die von jedermann engagiert werden kann, der ein
"schwieriges" Problem zu lösen hat; die Schneekönigin, die mit
grausiger Kälte ihr eisiges Reich am Ende der Welt regiert - und die kleine
Maus, ein Mädchen so grau wie ihr Name, unscheinbar und in einem Keller
geboren, das zur Gespielin dieser beiden berechnenden Protagonistinnen wird. Und
sich nicht entscheiden kann, wem sie nun wirklich vertrauen soll.
Alle drei treffen im Hotel Aurora in Sankt Petersburg aufeinander. Dort lauert
die Schneekönigin auf Tamsin, die ihr einen Zapfen ihres Eisherzens gestohlen
hat. Ohne diesen Zapfen ist die mächtige Königin allmählich zum Sterben
verurteilt. Tamsin dagegen zieht es ins Hotel aus Rache. Die Schneekönigin hat
in ihrem Reich Tamsins Vater getötet, geradewegs als dieser bei der eisigen
Herrscherin mitsamt der Tochter den Eiszapfen zu stehlen versuchte. Und Maus,
tja, die weiß eigentlich so gar nicht viel mit sich anzufangen - dann aber
kommt die kleine Schuhputzerin ihrer eigenen Familiengeschichte auf die Spur -
und die hat etwas mit den Anschlägen auf den Zaren zu tun...
Obwohl der Roman "Frostfeuer" durch seine Hintergrundgeschichte und
seine Figuren im phantastischen Bereich anzusiedeln ist, weist er durchaus viele
realistische Elemente auf: eine abgeschlossene Handlung, einen fester Raum im
Hier und Jetzt und eine zum Teil recht politische Geschichte lassen an mancher
Stelle die phantastischen Elemente in den Hintergrund rücken. Dort aber, wo sie
in den Vordergrund treten, wird eine wundervoll märchenhafte Geschichte
erzählt, bei dem das Böse gar nicht immer so böse ist - und das Gute auch
nicht immer nur gut erscheint.
Natürlich erinnert das Buch auch an Hans Christian Andersens Märchen "Die
Schneekönigin" - der Eissplitter, der dem kleinen Kay in Herz und Auge
getrieben wird und nur durch die Tränen und die Liebe Gerdas wieder gelöst
werden kann. Immerhin wird in 2005 ja auch der 200. Geburtstag dieses großen
Märchenerzählers gefeiert.
Kai Meyer wird übrigens im September diesen Jahren mit einem der begehrtesten
Literaturpreise, der Corine ausgezeichnet.
Fazit
Ein modernes Märchen, das man mit Wonne lesen kann...
Vorgeschlagen von Martina Meier
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veröffentlicht am 15. Juli 2005 2005-07-15 16:29:26