Der Grünen-Politiker Joschka Fischer hat ein sehr gehaltvolles und
interessantes Buch geschrieben, welches detailliert in wichtige Probleme der
globalisierten Welt einführt. Fischer konstatiert, dass mit dem 11. September
2001 das Ende der Nachkriegszeit gekommen und ein neuer Totalitarismus in Form
des weltweiten Terrorismus Einzug gehalten hätte. Dieser Totalitarismus zeichne
sich - wie die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts - durch eine scheinbar große
und göttliche Idee aus, hier der Idee des "Gottesstaates" (S. 18). Je
zerstörerischer, desto wirkungsvoller, und je wirkungsvoller, desto besser,
weil schrecklicher in ihrer furcheinflößenden Wirkung. Dies sei die Formel des
neuen Totalitarismus. In Anlehnung an die Publikationen von Andreas
Herberg-Rothe, Martin Creveld oder Herfried Münkler schildert er die Gefahren
der sogenannten asymetrischen Kriegsführung (damit ist gemeint, dass kein
klassisches militärisches Duell zweier annähernd gleich starker Gegner,
sondern militärisch ungleiche Gegner, Terroristen und Staaten sich gegenüber
stehen). In Anlehnung an das anregende Buch Buch von John Gray über die Geburt
Al-Qaidas aus dem Geist der Moderne, der besten Analyse über die Al-Qaida, die
ich gelesen habe, deutet Fischer das Phänomen des gegenwärtigen islamischen
Terrorismus als Modernisierungskrise. Die Kraft und das Durchhaltevermögen des
Terrorismus sei schwer abzuschätzen. Für die künftige internationale Ordnung
und den Frieden im 21. Jahrhundert werde es von entscheidender Bedeutung sein,
als wie stark, wie tief in der islamischen Welt verwurzelt und wie geistig und
politisch mächtig sich dieser neue Totalitarismus jenseits seiner einzelnen
Protagonisten und Organisationen erweisen werde (S.22).
Es gibt selten ein Buch, welches die "Bruchlinien der globalen
Desintegration" so packend aufzeigt wie die Analyse Fischers. Michael
Naumann hat in der "Zeit" vermerkt, das Buch Fischers gehöre zu den
"ernsthaftesten Analysen" der deutschen Außenpolitik.
Beeindruckend ist die Belesenheit Fischers, der in der Tat gerade zu seinem
Interessengebiet, der Bedrohung durch den Terrorismus, viele Werke gelesen hat.
Seine These, nur durch eine Befriedung des Nahen Ostens mittels langfristiger
und auf Kooperation gründender internationaler Anstrengung könne den
Weltfrieden langfristig sichern, ist nichts hinzuzufügen.
Fischers Buch - auch seine Bemerkungen über die Folgen der Globalisierung,
seine Anmerkungen zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen, wobei er kritisch
auf die Thesen des amerikanischen Politologen und Historikers Robert Kagan
eingeht, sind sehr interessant. Sie können aus Platzgründen hier nicht
ausführlich erörtert werden.
Fazit
Ein sehr lesens- und nachdenkenswertes Buch von einem der besten strategischen
Analytiker der deutschen Außenpolitik. Das Werk wird meines Erachtens auch
dauerhaft ein Grundlagenwerk bleiben, über jegliche Tagesaktualität hinaus.
Dies macht seinen Wert aus.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 02. Juli 2005 2005-07-02 10:34:41