Das vorliegende Buch von Guido Knopp: "Vatikan: Die Macht der Päpste"
bietet gute Porträts der Päpste von Pius XII. bis Johannes Paul II. Jeder
Papst wird einfühlsam portraitiert, Prägungen aus der Jugend erläutert. So
wird die Tragik des Papstes Pius XII., der den Frieden wollte und während
seiner Amtszeit den 2. Weltkrieg und den Holocaust erlebte, deutlich gemacht.
Sollte Pius zu den Untaten der nationalsozialistischen und faschistischen
Regime, der Judenvernichtung und der Kirchenverfolgung schweigen oder durch zu
harschen Protest die dortigen Regime noch mehr reizen und zu schärferen
Reaktionen provozieren? Ein furchtbares Dilemma, welcher der Diplomat auf dem
Papststuhl nicht gewachsen war. Bis zu seinem Tode prägten ihn Schuldgefühle
für sein Schweigen in dieser Angelegenheit. Meines Erachtens war Pius XII. eine
tragische Figur in der Papstgeschichte und dies wird in dieser einfühlsamen
Kurzbiographie auch sehr gut verdeutlicht. Sein Nachfolger, Johannes XIII. wurde
als Reformpapst bekannt, der das 2. Vatikanische Konzil anstieß. Der als
"Opapam" verspottete "Übergangspapst" bewegte sehr viel
mehr als sein Vorgänger und seine Nachfolger. Paul VI. wird als "Hamlet
von Mailand" verspottet und wegen seiner Ablehnung der Anti-Baby-Pille als
"Pillen-Paul" verspottet. Ungeachtet seiner Griesgrämigkeit besaß
Paul VI. jedoch persönlichen Mut, was in seinem Angebot an die Entführer des
italienischen früheren Ministerpräsidenten Aldo Moro deutlich wurde, sich
gegen ihn austauschen zu lassen. Der Tod Moros, mit dem der Papst eng befreundet
war, traf ihn tief. Kurz darauf starb der Papst, dem Grübeleien und Zweifel
nicht fremd waren. Vielleicht zeichnet Knopp ein etwas zu negatives Portrait
dieses Mannes, der kein Visionär gewesen ist, wie es sein Vorgänger Johannes
XIII. und auch sein Nachfolger, Johannes Paul II. war. Ihm fehlte deren
Charisma. Innerkirchlich war er aber eindeutig liberaler als Johannes Paul II.,
was man daran erkennen kann, dass er den deutschen Theologen Hans Küng seine
kirchlichen Thesen vertreten ließ, ohne ihm die Lehrerlaubnis zu entziehen.
"Persönl9ich bin ich Papst Paul dankbar, dass er in all den Jahren
schützend seine Hand über mich gehalten hat." Ähnlich wie Pius XII. war
Paul VI. ein Intellektueller, der unter der Last seines Amtes litt. Stärker als
Pius XII. verurteilte er jedoch Unrecht auf der Welt. Den Vietnam-Krieg
verurteilte der Papst scharf. "SElten zuvor hat ein Papst sich so
nachdrücklich an die Regierenden gewandt und so wenig Rücksicht auf den
diplomatischen Stil genommen wie Paul." Darin gleicht er Johannes Paul II.,
der die Ablehnung des Irak-Krieges gegenüber US-Präsident Bush ebenso deutlich
vortrug und auch gegenüber dem kommunistischen Regime in Polen kein Blatt vor
den Mund nahm. Doch vor beiden Päpsten kam Johannes Paul I., der nur 33 Tage
residierte. Knopp verwendet den größten Teil seiner Darstellung dieses
"lächelnden Papstes", die Legende über seine Ermordung zu
widerlegen. Es gäbe dafür keine Beweise, der Papst sei schwer herzkrank
gewesen und an der Last seines Amtes und an Intrigen im Vatikan zerbrochen,
jedoch gäbe es für Mord keinerlei Motive.
Die Bilanz über das Pontifikat des jetzt verstorbenen Papstes Johannes Paul II.
kann nur vorläufig sein. Schwerpunkt ist sein Verdienst am Untergang der
kommunistischen Systeme und der Gründung der Gewerkschaft Solidarität in
Polen. Innerkirchlich wird die Ablehnung der Befreiungstheologie durch den Papst
und seine kirchenpolitisch konservative Haltung hervorgehoben. Die Urheber des
Anschlages vom Mai 1981 vermutet Knopp in Moskau, nachdem er diesbezügliche
Protokolle des Moskauer Politbüros ausgewertet hat. Einen endgültigen Beweis
über die Urheberschaft des Anschlages auf den Papst kann Knopp nicht geben.
Natürlich fehlen Meilensteine im Pontifikat Johannes Pauls II., die sich erst
nach 1997, dem Erscheinen des Buches, ereignet haben, etwa die Tatsache, dass
sich Johannes Paul II. für das Schweigen der Kirche gegenüber dem Holocaust
entschuldigt hat und sein Bemühen, mit den anderen Weltreligionen in Dialog zu
treten wie auch seine Ablehnung des Irak-Krieges. Dies wäre Stoff für eine -
wünschenswerte - Neuauflage des Buches. Ob Knopps Prophezeiung, das Konklave
küre bei der Papstwahl immer eher das Gegenteil als den gerade verblichenen
Pontifex zum Nachfolger und es stehe daher zu vermuten, dass der nächste Papst
eher eine pastorale Gestalt sein werde - eine Tendenz, die bei der Betrachtung
der Päpste von Pius XII. bis Johannes Paul II. zutraf - auch in der Zukunft
wieder zutreffen wird, bleibt abzuwarten.
Fazit
Ein sehr interessantes, spannendes und einfühlsames Buch. Allerdings - und
daher gebe ich nicht die volle Punktzahl - wird über die "Macht" der
Päpste zu wenig ausgesagt. Auch über Amt und Begriff des Papstes oder die
Verwaltung des Vatikan oder seine Geschichte findet sich - auch in der
Einführung - nichts. Hier suggeriert der Titel meines Erachtens falsche
Erwartungen. Das Buch hätte treffenderweise mit "Päpste des 20.
Jahrhunderts" betitelt werden sollen, dann hätte es den Erwartungen des
Lesers voll entsprochen. Ansonsten wirklich lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 09. April 2005 2005-04-09 14:20:33