"Ich habe einen abseitigen Beruf: Ich schlafe mit Männern. Wenn ihre
Frauen das wollen. Sie rufen mich an, wenn sie meine Anzeige sehen." So ist
das mit Vera Sandin. Ihre Anzeige lautet: "Ist Ihr Mann treu? Finden Sie es
heraus!" Sehr, sehr viele Frauen wollen das wissen - und für 1000 Euro
Vorauszahlung und weiteren 1000 nach Vollzug, inklusive Videomitschnitt, bietet
ihnen Vera die Antwort. Noch keiner hat ihr widerstanden, und das ist wenigstens
etwas, aus dem sie ein bischen Befriedigung ziehen kann. Denn Männer haben Vera
immer nur ausgenutzt, benutzt, erniedrigt, mißbraucht. Jetzt benutzt sie die
Männer - zum Geldverdienen. In ihrer Wohnung, gestylt mit Designermöbeln und
ohne jegliche persönliche Habe legt sie die Kandidaten auf’s Kreuz, und
gleich nebenan, in ihrem "Büro" wohnt sie, mit allem, was ihr lieb
und teuer ist, und einem halben Dutzend Katzen. Auch Axel Behrendt ist ein
solcher Kandidat, auf den sie angesetzt wird. Er ist Schriftsteller, und ein
solch prinzipientreuer und ehrenhafter Mensch, daß seine Frau das unerträglich
findet und ihn mal so richtig auf den Leim gehen lassen will. Auch Vera bekommt
diese Ethik zu spüren - Behrendt ist nämlich der erste, der sie nicht gleich
ins Bett kriegen will! Der ist an ihr als Person interessiert, will wissen, was
hinter ihrer Geschichte steckt, und fragt und fragt und fragt. Und Vera
erzählt. Und was Vera erzählt, lässt einem die Haare zu Berge stehen. Langsam
wird klar, wie es dazu kam, daß sie die Männer, die Menschen überhaupt,
hasst. Doch je mehr Vera erzählt, desto mehr verliert sie die Kontrolle über
die Beziehung zu Axel Behrendt, je mehr entgleiten die Ereignisse dem üblichen
Schama. Und letztlich ist es nicht nur, aber auch wieder einmal Vera, die in dem
undurchsichtigen Spiel draufzahlt... Thommie Bayer, Liedermacher, Kabarettist,
Autor von Gedichten, Romanen, Drehbüchern, Sketchen und anderen Machwerken,
knüpft mit seiner erotischen, äußerst facettenreichen Geschichte "Die
gefährliche Frau" an den Erfolg seines letzten Romans "Das
Aquarium" an. Er schlüpft voller Verständnis in die Rolle seiner
zwiespältigen Protagonistin und macht sie zu einer glaubwürdigen
Persönlichkeit. Auch die Achterbahnfahrt der Gefühle aus Neid, Gier, Haß,
Eifersucht, Liebe und Vertrauen wirkt glaubhaft, wenn auch nur unter der
Prämisse, daß nur Außenstehende die Situation überblicken, die beteiligten
Personen jedoch nicht. Viel Ironisches, Bissiges und Schockierendes bekommt man
da zu hören, zynisch wird Bayer jedoch nie.
Fazit
Fesselnde und spannende Unterhaltung, die mehr als nur die Oberfläche ankratzt.
Auch voyeuristische Ambitionen werden zur Zufriedenheit bedient, wenn auch das
"erotische" Element eine Frage des persönlichen Geschmacks bleibt.
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 27. Februar 2005 2005-02-27 20:51:14