Es gibt zahlreiche Bismarck-Biographien, unter anderem die voluminöse
Lebensbeschreibung von Lothar Gall. Diese Biographie besticht insbesondere
deshalb, weil sie Bismarcks, v.a. außenpolitisches, Wirken hervorhebt. Seine
"Politik der Saturiertheit" sicherte dem deutschen Reich zwischen 1871
und 1890 Frieden und Sicherheit. Es war das Verlassen dieser
"eindrucksvollen Friedenspolitik" (Sebastian Haffner in seinen Werk:
"Von Bismarck zu Hitler")und die unter Wilhelm II. betriebene
"Weltpolitik" der "freien Hand", die Deutschland in den
Krieg führte. So ist keine größere Diskontinuität zwischen beiden Personen
denkbar. Konsequent wurde daher Bismarck durch Wilhelm II. 1890 entlassen.
"Wir haben keine kriegerischen Bedürfnisse" - diese Politik betrieb
Bismarck. Schmidt portraitiert Bismarck als "Virtuosen der Macht" ohne
ideologische Scheuklappen. Dieses Bild ist korrekt. Die - durchaus
problematische - Innenpolitik wird - im Gegensatz zu den hervorragenden
Darstellungen von Volker Ullrich oder Theo Schwarzmüller meiner Meinung nach
etwas zu milde beurteilt. Aber insgesamt stimmen die Schlussbemerkungen dieses
Werkes voll und ganz: Die Frage, ob Bismarcks Werk von Anbeginn an den Keim des
Scheiterns, ja des Unglücks in sich trug, wird verneint.
Es ist ganz klar festzustellen: Ein Bismarck und ein Wilhelm I. hätten es vor
1914 nicht zu der Selbstisolierung Deutschlands durch seine großspurige Außen-
und Weltpolitik kommen lassen. Bismarck operierte - wie übrigens auch etwa
Napoleon der Dritte oder der österreichisch-ungarische Außenminister Cavour
auf einem "plebiszitären Element der Herrschaft, das in enier Zeit des
Wandels und der Instabilität die Massen in den Dienst konservativer Politik
nehmen wollte." Dies ist sicherlich zutreffend. Die beiden Alpträume
Bismarcks, die Angst vor einer das deutsche Reich einkreisenden Koalition
gegnerischer Großmächte ("cauchemar des coalitions") bzw. der vor
Revolution ("cauchemar des révolutions) wird treffend herausgearbeitet.
Diese Grundkonstanten der Bismarckschen Politik arbeitet Schmidt gut heraus,
wenn auch - aufgrund der Kürze der Darstellung - die Reichskanzlerzeit
insgesamt, die auf strikter Trennung der Innen- und Außenpolitik festhält,
insgesamt eher kursorisch dargestellt wird.
Fazit
Insgesamt war - trotz problematischer Innenpolitik - nicht Bismarck, sondern
Hitler der "Dämon der Deutschen". Dies verdeutlicht zu haben, darin
liegt der Sinn der Biographie. Ich halte dies gerade heute für wichtig, wo in
der Außenpolitik immer stärker eine Tendenz zum: "Wir sind wieder
mehr" (Bestehen auf einem UNO-Sicherheitsratssitz mit Veto-Recht) zu
beobachten ist. Daher kommt meines Erachtens diese Biographie gerade zur rechten
Zeit.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 11. Dezember 2004 2004-12-11 14:15:29