Als der junge Metzgermeister Fidelis Waldvogel aus dem Ersten Weltkrieg
heimkehrt, heiratet er Eva, die schwangere Verlobte seines gefallenen Freundes
Johannes. Mit ihr findet er sein persönliches Glück - eine große und treue
Liebe nimmt ihren Anfang. Ein wirtschaftliches Auskommen findet der talentierte
Metzger in seiner Heimat jedoch nicht. So packt er die Messer seines Großvaters
und einen Koffer voller Würste, schifft sich Anfang der 1920er Jahre nach
Amerika ein, und reist, solange der Verkauf der Fleischwaren ihn voran bringt.
Seine Endstation ist die Kleinstadt Argus in North Dakota. Und tatsächlich
gelingt es ihm, dort Fuß zu fassen. Schon bald hat die Familie Waldvogel vier
Söhne und eine eigene Metzgerei. Zum Umfeld des deutschen Metzgermeisters, der
mit einer engelsgleichen Gesangsstimme gesegnet ist, und seiner Familie gesellen
sich bald weitere bemerkenswerte Charaktere: Delphine, die mit dem dubiosen
Balancekünstler Cyprian zusammen lebt, ihr Vater Roy, ein stadtbekannter
Säufer, der nicht nur sprichwörtlich einige Leichen in seinem Keller
aufzuweisen hat, Step-and-a-Half, eine geheimnisvolle Frau, die von dem lebt,
was andere Leute wegwerfen. Jede dieser Persönlichkeiten erringt auf ihre Weise
die Sympathie des Lesers: sie sind gleichzeitig so alltäglich, wie sie
skurrille Züge tragen, haben Ecken und Kanten, verstricken sich in
Widersprüche ebenso wie in die Widrigkeiten des täglichen Lebens. Die
differenzierte und glaubwürdige Schilderung der facettenreichen Charaktere
macht den Zauber des "Gesang des Fidelis Waldvogel" aus, dessen
ausdrucksstarke, sogar mitunter poetische Wortwahl das große erzählerische
Talent der amerikanischen Autorin bestätigen.
Fazit
Louise Erdrich, in Amerika als Ausnahme-Schriftstellerin gefeiert, bietet mit
diesem Buch mehr als 500 Seiten lang eine unterhaltsame Kostprobe ihres
Könnens.
Vorgeschlagen von Annette Rieck
[Profil]
veröffentlicht am 31. Oktober 2004 2004-10-31 16:15:20