Angst, Wut und Mord
"Jetzt hört der den Schrei wieder… bitte vergebt mir, betet er. Vergebt
mir, lieber Gott und Jesus. Doch er weiß, dass es sinnlos ist, denn was er
getan hat, ist unverzeihlich".
Aber ist der Junge aus dem Prolog eigentlich der später hoch verdächtige Eddie
Bylund, der die Volksseele der kleinen Stadt Kramfors in Norwegen in Rage
versetzt? Und hat eine Mitarbeiterin des Jugendamtes genügend Möglichkeiten,
in einem solch brutalen Mord quasi privat mitzuermitteln?
Nur weil Annie Ljung den Indizien und dem drängenden Verdacht gegen einen
14hjährigen nicht glaubt? Und wer überhaupt könnte aus der am Ende doch
überschaubaren sozialen Gemeinschaft vor Ort überhaupt fähig sein, ein so
brutales Verbrechen an drei jungen Mädchen zu begehen, von denen nur eines
überlebt. Und das so knapp und so traumatisiert, dass sie, zumindest zu Beginn
der Ermittlungen, nichts zur Klärung der Hintergründe und des Geschehens
selbst beitragen kann.
Leser und Leserinnen besitzen dabei, zumindest in der ersten Sortierung der
Ereignisse, keinen Wissensvorsprung. Und ebenso steht überaus überzeugend im
Raum, dass der Junge Gelegenheit, ein klares Motiv und aufgrund mancher
Auffälligkeiten seiner Persönlichkeit auch einen entsprechend pathologischen
Hintergrund aufzuweisen hat, was ihn, alles zusammen, zu einem überzeugenden
Hauptverdächtigen macht. Wenig spricht für ihn.
Vielleicht verrennt sich Annie auch ideologisch in ihrem Bemühen, einen ihr
Schutzbefohlenen eben auch zu schützen? Eine Frau, die mit sich selbst nach den
Ereignissen des ersten Bandes der Reihe eigentlich ja genug zu tun hätte und
keineswegs innerlich stabil dem Grauen der aktuellen Ereignisse begegnet. Aber
einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ihr eigen nennt und nicht bereit ist,
ersten Eindrücken ihren Lauf zu lassen, wenn ihr Gefühl ihr anzeigt, dass da
einiges nicht stimmt, was behauptet wird.
Es dauert nicht lange, dann findet Annie heraus, dass die drei Mädchen die ein
oder andere Gemeinsamkeit hatten (und verborgen hielten), bei deren näherer
Erkundung durchaus noch ganz andere Motive für die beiden Morde und den
Mordversuch ins Licht gerückt werden. Aber wird es Gelingen, hinter die
Geheimnisse zu gelangen, um ein Bild davon zu erhalten, was wirklich im
Hintergrund verborgen alles in der Vergangenheit passiert ist? Oder täuschen
auch diese Spuren, wie so manch andere in diesem außergewöhnlichen Fall?
Der ebenfalls von der Spannung zwischen Annie und der leitenden
Polizeiermittlerin lebt. Die beide auf ihre Weise einiges an Ballast auf den
Schultern tragen und nicht wenig an Druck der Aufklärung auferlegt bekommen.
Denn falls Eddie nicht schuldig sein sollte, wäre es gut, den Fall schnell
auszuleuchten, denn für die Sicherheit von Eddie kann angesichts der
aufgeheizten Stimmung mancher Bewohner vor Ort kaum wirklich garantiert
werden.
"Er hatte nicht gewollt, dass sie starben, er hatte nur gewollt, dass sie
sich wehtaten. Dass sie spürten, wie es war, Angst zu haben…..vielleicht war
es am sichersten, wenn sie ihn irgendwo einsperrten. Er war krank im Kopf".
Fazit
Und nicht nur diese Inneneinsichten eines gemobbten Außenseiters geht Lesern
und Leserinnen im Lauf der Lektüre nahe. Sondern eben auch die Frage, wer für
das ganze Geschehen am Ende eigentlich verantwortlich ist (eine Frage, die sich
erst ganz zum Schluss endgültig klären wird) und ob Annie in ihrer instabilen
Verfassung und der auch für sie persönlich drohenden Gefahr genügend
entgegentreten werden kann.
Ein hervorragender Kriminalroman
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 16. Februar 2025 2025-02-16 15:04:07