Leider über längere Strecke wenig "Rath"
Man muss über dieser höchst erfolgreiche und bereits in mehrere Staffeln als
Fernsehserie (Babylon Berlin) eigentlich nichts grundsätzliches mehr sagen,
vielen Lesern und Leserinnen ist das Ergehen des ehemaligen Polizisten und
aktuell "toten ehemaligen Polizisten" Gereon Rath durchaus aus den
vorhergehenden 9 Bänden der Reihe gut bekannt. Dieser ist nun aus Amerika
zurückgekehrt, inkognito natürlich. Rath Senior liegt im Sterben. Denkt man
nach einer Reihe von Schlaganfällen, aber der alte Herr ist zäh, die Zeit
zieht sich sich und Gereon ist am Rhein gebunden, wo er bei einem alten Freund
seines Vaters, Konrad Adenauer, als eine Art Faktotum im Haus hilft.
Getreu der Linie der ganzen Reihe geht Kutscher aber natürlich auch die Zeit
selbst an. 1938. Druck auf das Sudetenland und die Tschechoslowakei,
Judenverfolgung in Deutschland, alles geht drunter und drüber, während
"Buddha" Gennart in der Mordkommission in Berlin weiter das alles zu
ignorieren scheint und mit seinen (ebenfalls Lesern und Leserinnen vertrauten)
Mitarbeitern weiterhin Gewaltverbrechen auf seine geniale Art und Weise (er
natürlich nurmehr vom Sofa aus ob der Leibesfülle) nachgeht.
Wobei der neueste Fall überaus persönlich für die Familie Rath sein wird.
Denn ein HJ Junge wurde erschossen. Mit einer Waffe, die einem HJ Führer
(Rademann) von dessen "Ziehsohn" Fritze, wohl entwendet worden ist.
Fritze, dessen geliebte Hannah nach einem erfolglosen Ausbruchversuchs, den
Fritze organisiert hatte, weiterhin Gefangene in der Irrenanstalt ist und nun
für eine OP verlegt wird. Eine OP, die sie scheinbar geplant von vorneherein
nicht überleben sollte. Und einiges an diesem Tod, aber auch was ein Kind
angeht, dass Hannah bekommen haben soll, führt umgehend zu den Raths. Denn
Charlotte Rath ist und bleibt ihrem "Fritze", auch wenn ein
Kontaktverbot besteht, eng verbunden.
Während die einen, trunken von der eigenen Macht inzwischen, ohne jede
Zurückhaltung auftreten, gerade Juden gegenüber, versuchen einige
charakterfeste Ermittler, den Fall neutral anzugehen. Soweit das möglich ist,
wenn man als Mordermittler einer Charlotte Rath gegenüber eine Menge
verborgener Gefühle entgegenbringt. Charlotte, die zwar diesen Gefühlen nicht
sympathisierenden gegenüber steht, auf der anderen Seite aber auch zunehmend
Zweifel an ihrer Ehe mit Gereon verspürt.
Fazit
So entfaltet sich ein gut dargestelltes und gut recherchiertes Stück
Zeitgeschichte, innerhalb derer die Protagonisten des Romans ihre Wege
versuchen, verdeckt zu halten und zu richten, was einem einfachen Menschen zu
richten möglich ist in diesen Zeiten. Wobei die Gefahren sich von allen Seiten
her zuziehen werden, SD und Gestapo und SS ihre Finger mehr und mehr im Spiel
haben und auch Gereon selbst mehr und mehr versucht, auf schwankendem Boden
festen Stand zu erhalten.
Wobei für lange Zeit zu Beginn des Werkes Gereon Rath mehr eine
"Nebenrolle" zugewiesen erhält. Die eigentliche "Musik des
Romans" spielt in Berlin und so rutscht Charlotte zunächst in die
"Hauptrolle" des Geschehens und des Mordfalles. Was ein wenig schade
ist, denn gerade das "Team" Charlotte und Gereon war in den
vorhergehenden Bänden Garant für Tempo und Spannung.
Mit diesem kleinen Abstrich aber ist es auch schon getan an Kritik, Stil, Tempo,
Spannung, differenzierte Protagonisten auf allen Seiten der Ermittlungen und der
lebendig gestaltete historische Rahmen machen auch diesen zehnten Band um Gereon
Rath zu einer empfehlenswerten Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 03. Dezember 2024 2024-12-03 14:24:40