Nicht nur auf großer internationaler Bühne geraten die liberalen Demokratien
unter Druck, auch die letzten Wahlen haben gezeigt: Europa rückt nach rechts.
Davon macht Deutschland keine Ausnahme. Gebannt richten sich bereits die Blicke
auf die bevorstehenden Wahlen im Herbst. Ein Szenario, das in dem ein oder
anderen Bundesland mit der AfD eine rechtsextreme Partei an den Pforten der
Macht kratzt, ist aufgrund aktueller Meinungsumfragen keine Illusion. Was ist zu
tun, wenn es Wirklichkeit würde?
Arne Semsrott, Journalist und Aktivist, beschreibt das mögliche Szenario einer
"Machtübernahme" und nimmt dann in den einzelnen Kapiteln konkrete
Bereiche ins Visier, die politisch und praktisch von drastischen Veränderungen
betroffen wären (Zivilgesellschaft, Justiz, Beamte, Gewerkschaften, Unternehmen
und Medien). Er malt ein Bild davon, wie diese Veränderungen aussehen könnten
und schließt jedes Kapitel mit konkreten Hinweisen ab, wie sich die betroffenen
Bereiche einem Abdriften in ein totalitäres System entgegenstellen könnten.
Der Stellenwert der "Brandmauer" gegen rechts und das
"Prepping", also die Vorbereitung auf das mögliche Ereignis einer
Regierungsübernahme durch die AfD (oder deren unmittelbarer
Regierungsbeteiligung), wird abschließend aufgezeigt.
Fazit
Dem Großteil der deutschen Wählerschaft bereitet das aktuelle Geschehen
zweifelsfrei jede Menge Kopfzerbrechen. Zu keiner Zeit nach 1945 stand die
Demokratie derart unter Druck, wie zurzeit. Es ist also angemessen, notwendig
und legitim, wenn die Öffentlichkeit nicht nur auf die bedrohliche Situation
hingewiesen wird, verbunden mit dem Hinweis auf die entmutigenden Konsequenzen
eines möglichen Scheiterns. Hier geht Arne Semsrott in seinem Buch noch einen
(erfreulichen und sinnvollen) Schritt weiter und entwickelt konkrete Ideen für
Gegenmaßnahmen. Er betrachtet wesentliche Strukturen eines demokratischen
Staates, nennt aktuelle (internationale) Beispiele, an denen klar wird: das
Ganze ist nicht nur ein Horrorszenario!
Es finden sich durchaus hilfreiche Tipps, die im Falle des Falles vorhanden
sind, um das Schlimmste zu verhindern bzw. zeitlich stark zu verzögern. Es
werden jedoch Sichtweisen aufgeführt, denen ich nicht folgen möchte.
Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle die Änderung des Wahlrechts
anführen: die Abschaffung der 5%-Klausel führt natürlich dazu, dass die
Stimmen für Kleinparteien "verloren" gehen und deren Wähler sich
eventuell fragen: warum gehe ich eigentlich zur Wahl? Die Abschaffung einer
derartigen Klausel halte ich aufgrund der weiteren Zersplitterung der
Parteienlandschaft für bedenklich. Es ging schon einmal schief - siehe Weimarer
Republik. Profiteure waren die politischen Ränder und nicht etwa die politische
Mitte. Ich sehe eine derartige Gefahr heute durchaus nicht als geringer an.
Wahlrecht mit 16 generell einführen: gut und schön und eine ernsthafte
Überlegung durchaus wert! Aber das Wahlverhalten der Erstwähler bei der
Europawahl zeigt klar: auch das alleine rettet die Demokratie nicht.
Randbemerkung: vor der Absenkung des Wahlalters auf Bundes- und Landesebene
sollte zumindest eine repräsentative Befragung als Grundlage einer Entscheidung
stattfinden. Alleine mit der jeweiligen Parteijugend darüber zu diskutieren,
spiegelt nicht die Meinung der Breite unserer 16/17-Jährigen wider!
Der Vorschlag, den Kandidaten der AfD möglichst geringes öffentliches Podium
zu bieten, da sich die politischen Ansichten nicht "entzaubern"
lassen, steht für mich im Widerspruch zur eigenen Feststellung des Autoren: der
AfD-Wähler lässt sich ohnehin nicht überzeugen... Na ja, vielleicht gelingt
es ja bei dem ein oder anderen Unentschlossenen bzw. zumindest ein Teil der
Protestwähler werden gangbare Alternativen in der direkten Konfrontation
deutlich gemacht.
Abschließend sei auch noch einmal an einen wesentlichen Fakt unseres
Grundgesetzes erinnert, denn eine "Machtübernahme" ist ja kein
unumgängliches Schicksal: In Artikel 20 (2) heißt es: "Alle Staatsgewalt
geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch
besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt." Soll heißen: jeder von uns ENTSCHEIDET, wie es
weitergeht. Die aktive Wahrnehmung des Wahlrechts bietet dafür nach wie vor die
allerbeste Möglichkeit!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 13. August 2024 2024-08-13 09:43:23