In diesem Jahr hat Nathan Thralls Buch »Ein Tag im Leben von Abed Salama« den
Pulitzer Preis in der Kategorie Sachbücher gewonnen. Für mich ist es weniger
ein Sachbuch als vielmehr eine biografische Erzählung über das ereignisreiche
Leben des Palästinensers Abed Salama. Es bietet nicht nur Einblicke in seine
persönlichen Erlebnisse, sondern auch in die Geschichte des palästinensischen
Volkes seit der Teilung Palästinas in ein jüdisches und ein arabisches Gebiet
im Jahr 1947.
Dazu gehört auch eine tragische Liebesgeschichte, denn Abed scheint kein
wirkliches Glück zu finden. Seine Freundin kann er nicht heiraten, weil jemand
aus der Familie der Freundin strikt dagegen ist, da das Mädchen aus einer
verfeindeten Familie stammt, ähnlich wie bei Romeo und Julia. Das Mädchen, das
er letztlich heiratet, verehrt ihn zwar, doch er kann ihre Liebe nicht erwidern.
Um ihr jedoch nicht zu schaden, da sie im Fall einer Scheidung die gemeinsamen
Kinder nicht mehr sehen dürfte und wieder bei ihren Eltern leben müsste,
erwägt Abed, eine zweite Frau zu nehmen. Doch auch dies stellt keine
endgültige Lösung dar.
Vor den Toren von Jerusalem passiert etwas Schreckliches: Ein Lastwagen kracht
in einen Schulbus, in dem palästinensische Kinder sitzen. Der Bus geht in
Flammen auf. Aber leider sind die Zuständigkeiten nicht geklärt und die
Bürokratie im Grenzgebiet ist sehr langsam. Deshalb können die Rettungskräfte
nicht schnell genug helfen. Doch am Unfallort kommen Israelis und Palästinenser
zusammen und versuchen gemeinsam, den Kindern zu helfen. Diese Geschichte
erzählt von den verschiedenen Lebensgeschichten der Menschen, die alle durch
dieses Ereignis miteinander verbunden sind.
In seinem auf Tatsachen basierenden Buch verleiht Nathan Thrall der Geschichte
des israelisch-palästinensischen Konflikts ein zutiefst menschliches und
bewegendes Antlitz. Mit einer schonungslosen Ehrlichkeit und einfühlsamen
Erzählweise enthüllt Thrall die herzzerreißenden Auswirkungen der
israelischen Siedlungspolitik auf den Alltag im Westjordanland.
Dies hat mich tief bewegt; ich habe so viel über die Lebensweise und
Verhältnisse im Westjordanland gelernt. Es ist atemberaubend geschrieben und
fühlt sich kaum wie ein Sachbuch an, sondern hat eine poetische Anmutung. Daran
ist zweifelsohne auch der brillante Übersetzer Lucien Deprijk nicht ganz
unschuldig. Und doch hatte ich mit all den arabischen Namen und Bezeichnungen
hin und wieder Schwierigkeiten. Sie sind einem nicht so geläufig wie Namen der
westlichen Welt. Wenn ein Name nach vielen Seiten erneut auftauchte, fiel es mir
schwer, sofort den Zusammenhang zum vorherigen Auftauchen herzustellen. Aber
dies möchte ich hier nicht kritisieren, sondern lediglich bemerken.
Angenehm waren deshalb auch die erläuternden Worte zu den Organisationen, deren
Schreibweisen und vor allem auch die Bilder und Karten, die Gelegenheit bieten,
sich besser in die Örtlichkeiten einzufinden.
Fazit
»Ein Tag im Leben von Abed Salama« ist ein wunderschönes Buch, mit dem sich
der Blick auf den Nahost-Konflikt durchaus ändern kann. Wer sich gerne mal mit
den Schicksalen der Menschen in Israel, Gaza und Westjordanland beschäftigen
möchte, bekommt mit diesem Buch eine herrliche Möglichkeit.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 08. August 2024 2024-08-08 08:01:31