Was von damals bis heute schwelt……
Zumindest bei diesem jungen Mann, 18 Jahre alt, Justus mit Namen, ein wenig ein
Nerd mit seiner Art, auf das Leben zuzugehen, da stimmt der Titel wie die Faust
aufs Auge. Denn wenn Tote sehen könnten, dann er auf keinen Fall. Dazu fehlen
ihm die Linsen in den Augen, die der Mörder ihm präzise durch Spiegelscherben
ersetzt hat. So können also die Lebenden sich in seinen Augen sehen. Aber ob
das Bedeutung hat? Das frage sich Carla Seidel über lange Zeit im Lauf ihrer
Ermittlungen. Im Wendland, wo sie nach gefährlichen und bedrängenden Momenten
im Dienst in Hamburg sich eigentlich Ruhe, Landluft und hier und da ein paar
Betrunkene versprochen hat.
Doch nun ermittelt sie. Erschwert zum einen durch den Reichtum von Justus Vater,
der keine Anstalten zeigt, die Ermittlungen zu befördern. Eher im Gegenteil
durch seine Beziehungen eher noch versucht, allzu genaues Hinschauen auf seinen
toten Sohn und seine Familie zu erschweren. Und zum anderen durch den Leiter der
Ermittlungen vom BKA, der voller "Freude an sich selbst"
"einlinige Ermittlungen" verordnet. Eine Line. Seine Linie, keine
Alleingänge. Was sich mit der "sich Hereingraben in Fälle" von Carla
Winter als nicht kompatibel herausstellen wird.
Wobei die Ermittlungen noch eine ganz andere Richtung erhalten, als sich Carlas
Tochter Hanna, sensibel, ein wenig Außenseiterin, beginnt, in der Schule, die
sie gemeinsam mit dem Mordopfer besuchte, Näheres erfahren zu wollen. Vor allem
über Narben, Wunden, Tattoos, die ein konkretes Motiv zeigen und bei bestimmen
Schülern und Schülerinnen verbreitet sind. Nicht zuletzt bei Justus.
Dass Carla inzwischen den Rechtsmediziner Paul überaus sympathisch findet, gibt
dem Kriminalroman noch einen unterschwelligen, privaten roten Faden, der an den
rechten Momenten von Piontek auch bestens dazu genutzt wird, ihrer Hauptperson.
Carla Winter mehr und mehr Differenzierung, eine eigene Geschichte und damit
Tiefe zu geben.
Fazit
So entsteht eine unterhaltsame Lektüre, in der das "Personal" griffig
vor Augen gestellt wird, ein ominöser Fall für einiges an Rätselraten auch
bei Lesern und Leserinnen sorgt und zudem im beschaulichen Wendland vergangen
scheinende Ereignisse geschickt mit der Gegenwart verbindet. So dass auch die
spezielle Geschichte dieser Landschaft mit ihren vielen Demonstrationen zu
Zeiten noch einmal lebendig werden lässt.
Alles in allem eine unterhaltsame Lektüre, die Schritt für Schritt ihren Fall
löst und am Ende aufzeigt, was bei diesem Mord alles untereschwellig
miteinander verbunden im Raum gestanden hat.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 21. Juli 2024 2024-07-21 15:10:21