Am 9. Juni 2024 wird das Parlament der Europäischen Union erneut gewählt.
Nahezu 400 Millionen Wählerinnen und Wähler entscheiden, wie sich die Sitze
der gut 700 Abgeordneten auf die einzelnen Fraktionen verteilen. Immer wieder
wird von einer "Schicksalswahl" gesprochen. Der EU wird nicht nur
Trägheit im politischen Handeln, sondern auch eine hohe Reformbedürftigkeit
attestiert. Zusätzlich verstärken rechtspopulistische Kräfte den Druck auf
die Brüsseler Bürokratie und es darf/muss mit Spannung gewartet werden, wie es
mit der Europäischen Union nach den Wahlen weitergehen wird. Da ist es nicht
ohne Bedeutung, wie das die Bevölkerung Deutschlands votiert. Mit 84 Millionen
Einwohnern ist es das größte und wirtschaftlich (noch) stärkste Land.
Markus Preiss ist Insider, wenn es um die Europäische Union geht. Der Leiter
des Brüsseler ARD-Studios verfolgt das Geschehen in Brüssel (und Straßburg)
seit Jahren genau. Im vorliegenden Buch legt er in mehrfacher Hinsicht den
Finger in die Wunde: einerseits was das aktuelle politische Alltagsgeschäft der
EU-Institutionen und der Parlamentarier anbelangt, andererseits wenn es um die
derzeitige Positionierung Deutschlands zu den drängenden Fragen innerhalb der
EU geht. "The German Vote" (synonym für Stimmenthaltung, da sich die
Fraktionen der Regierungskoalition oftmals nicht auf einen gemeinsamen
Standpunkt verständigen können) ist wahrhaft kein Kompliment...
Inhaltlich greift er verschiedene Facetten europäischer Politik auf, zeigt, wie
schwierig es wurde, gemeinsames Handeln konsequent und rasch umzusetzen. Das
Einstimmigkeitsprinzip im Rat der Staats- und Regierungschefs kristallisiert
sich immer wieder als Hemmschuh heraus. Dabei wäre gerade jetzt aufgrund der
angespannten weltpolitischen Lage gemeinsames Handeln als "starkes
Europa" besonders bedeutsam. Der angesprochene politischen Schlingerkurs
wird durch die -vornehm ausgedrückt- deutsche Zurückhaltung in etlichen
Sachfragen nicht besser. Das die größte europäische Volkswirtschaft eine Art
Führungsrolle einnehmen könnte, entspricht der Erwartungshaltung vieler
kleinerer EU-Mitgliedsstaaten. In ihrer Hoffnung werden sie letzthin jedoch
immer häufiger im Stich gelassen und das nicht erst seit 2021.
Fazit
Markus Preiss legt zur rechten Zeit ein ausgezeichnet lesbares und mit einer
Fülle von Detailwissen versehenes Buch vor. Am Schluss des Buches angelangt,
verfügt die Leserschaft nicht nur über eine Vielzahl hochinteressanter
Informationen über die Funktionsweise der EU, sondern erfährt immer wieder
Anstöße, die eigene Position zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu
justieren. Es werden viele Fragen aufgeworfen und angesprochen, gelegentlich
journalistisch zugespitzt formuliert, Lösungsansätze werden mehr oder weniger
deutlich aufgezeigt.
Das Credo des Buches ist indes klar: die westlichen Demokratien brauchen eine
gute Zusammenarbeit in Form einer starken Europäischen Union als gemeinsames
"Sprachrohr". Damit dies um so besser gelingt, muss ein klar
agierendes und starkes Deutschland an der Seite der weiteren Mitgliedsstaaten
agieren. Den ersten Schritt hierzu haben wie alle erst einmal selbst in unserer
Hand: wählen gehen am 9. Juni!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 13. Mai 2024 2024-05-13 20:28:44