Wenn alles mit allem sich ungut vernetzt
"Ich bin die rote Richterin, viel zu links und zu nachgiebig aus seiner
Sicht".
Wobei, bei allem "linken" Verständnis, wenn ein Attentäter lebendig
gefasst wird, der eine Tragödie zu verantworten hat, ob da nicht besser
persönliche Vorlieben schweigen sollten? Vor allem, wenn dieses ständige
"Verständnis" nun dazu geführt hat, dass diese Tat überhaupt erst
möglich wurde? Und das gar tiefe Spuren im persönlichen Leben hinterlassen
hat.
Und doch, so einfach ist das alles nicht für Alma Revel. Die von einer
Schwierigkeit in die nächste tappen wird. Wobei Karine Tull weniger ein
"politischer" Roman wohl vor Augen schwebte, sondern eher ein
Persönlichkeitsbild einer modernen Frau in hoher Position in einer Welt, in der
sich alles mit allem vermischt, die Grenzen zwischen "Gut und Böse"
bedrängender Weise auch eine Frage der persönlichen Haltung, des
"Geschmacks" werden und eigentlich klare Grenzen aufgeweicht werden
(wenn eine Affäre mit einem am fall Beteiligtem das berufliche Ethos hinten
anstehen lassen)".
Ein Subjektivismus eines "ich will aber", dass beim Leser Alarmglocken
auslöst und untereschwellig nicht nur darauf verweist, dass verantwortliche
Personen "auch nur Menschen" sind, sondern eine gefühlte Tendenz im
Roman sich verdichtet, dass Menschen in "Amt und Würden" sich nicht
diesen unterordnen, sondern das eigene Amt nachrangig zu den persönlichen
Befindlichkeiten verorten. Mitsamt einem auch im Roman vorkommenden und teils
nur schwer zu ertragendem, überaus seichten "es sich schönreden". Um
eben den eigenen Impulsen vordergründig moralisch ungestraft weiter folgen zu
können.
Und doch ist im Hintergrund auch eine ernste und wichtige Frage der Gegenwart zu
erkennen. Denn auch die andre, die "verurteilende" Seite gegenüber
den Bedrohungen durch Attentäter und Terroristen schießt gerne über das Ziel
hinaus. Ist, einem Rechtsstaat nicht angemessen, ebenso schnell zu
Vorverurteilungen bereit, wie es jene "rote Richterin" eben antreibt,
ebenfalls aus ihrer Prägung heraus, vielleicht einfach die Zügel zu sehr
schleifen zu lassen. Mit unabsehbaren Folgen.
"Mein Vater war ein großer Leser und Anhänger von Foucault, den er
häufig zitierte: "es ist hässlich, straffällig zu sein – und wenig
ruhmvoll, strafen zu müssen"".
Am Ende aber, bei allen Irrungen, Wirrungen, Höhen und Tiefen der Begleitung
der Richterin durch die Seiten des Buches, fällt die Waagschale vielleicht doch
in die Richtung, die "Unschuldigen" zentral in den Blick zu nehmen.
"Die Bevölkerung zu schützen heißt, sie auf eine Bedrohung
vorzubereiten, die wieder zuschlagen wird".
Fazit
Trotz einiger Längen lohnt die Lektüre dieser beiden grundlegenden Fragen,
wieweit sich persönliches mit amtlichen doch immer wieder vermischt 8und welche
Folgen das auch über die eigene Person heraus hat) und wieweit das aktuelle
Recht samt dem starken Schutz des Verdächtigen zunächst mit der Realität zur
hemmungslosen Vernichtung anderer verträgt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. Februar 2024 2024-02-25 15:30:55