Breit erzählt mit technischer Finesse und anregenden Volten
"Gute Frage- Die Antwort ist, es gibt einen Mann unten in Houston, der vor
ein paar Jahren die Geistesgegenart besessen hat, eine Axt auf dem Dachboden der
Welt zu deponieren. Wir sind hier, um herauszufinden, ob es an der Zeit ist, sie
in die Hand zu nehmen".
Knapp 1000 Seiten warten in neuestem Werk von Neil Stephenson auf die Leserinnen
und Leser. Und, wie gewohnt, verschmelzen bei Stephenson die differenzierte
Darstellung der Protagonisten (von denen es nicht wenige gibt) mit technischer
Fantasie (die, ebenfalls wie immer, stark am heute bereits Möglichem angelehnt
ist) und drängende Fragen der Gegenwart (nichts weniger als der Untergang des
Planeten im Klima-Kollaps) zu einer, am Ende, unwiderstehlichen Mischung, die
Seite für Seite umblättern lässt, ohne eine Pause herbeizusehnen.
Wenn ein Thriller mit der Königin von Holland in der Nähe von Houston, Texas
beginnt, dann zeugt dies bereits vom immer ein wenig anderen Ansatz Stephensons,
der die "hohe Dame" recht rustikal auftreten lässt und die Verbindung
zu seinem eigentlichen Thema (die Beeinflussung des Klimas durch Technik, das
Geo-Engeniering) dabei keine Sekunde aus den Augen verliert.
Denn wer, wenn nicht ein Land unterhalb des Meeresspiegels, wäre zu durchaus
auch fragwürdigen Versuchen bereit? Wobei fragwürdig im Buch weniger eine
moralische Frage (Einmischung in die Schöpfung), sondern eine Frage der Risiken
ist, ob das geplante Eingreifen nicht alles noch schlimmer machen würde.
Zunächst aber nimmt sich Stephenson alle Zeit der Welt, Leser und Leserinnen in
die Lebensumstände noch Überschreitung diverser Kipppunkte des Klimas
einzuführen. In die Hitze, die an durchaus zivilisierten Orten den Aufenthalt
im Freien nurmehr mittels Kühlanzügen einigermaßen erträglich macht. Dass
dabei nicht alle Einwohner des Planeten und Amerikas all das entspannt
hinnehmen, zeigen ebenfalls die ersten Ereignisse unmissverständlich auf.
Eine harte Landung eines Flugzeugs aufgrund schwieriger Umstände mag noch
hinnehmbar sein, das aber die Helfer des Flughafens mal lieber nicht zur
Unglücksmaschine ausrücken könnte an der tierischen Horde liegen, die das
Flugfeld überrennt und an jenen Menschen, die am Rande nur darauf warten,
intensiv nach "Beute" Ausschau zu halten.
So wird ein Mann zum Retter, den zunächst eine ganz andere Mission treibt.
Rufus, Typ zäher und kundiger "Waldläufer" befreit sich zunächst
von einem mutiert wirkenden Keiler, mit dem ihn eine ganz besonders tragische
Geschichte verbindet, bevor er mit Königin Frederika Mathilde Louisa Saskia
sich auf den Weg macht, vielleicht doch am Ende zumindest die Niederlande zu
retten. Rufus, der "Moby Dick" für sich entdeckt und gelesen, vor
allem gehört, hat und sich in Ahab durchaus wiederfindet.
Wobei das nur einer der roten Fäden im Thriller ist, den Stephenson verfolgt
und an deren Verlauf er vielfache kleinere Geschichten an
"Problematiken" Revue passieren lässt. Von der Kolonialgeschichte
über die Feindschaft der "Weltmächte" hin zu einem glühender werden
Planeten und einer, zumindest an einigen Orten, sich auflösenden
Zivilgesellschaft.
So entsteht in einfacher, umgänglicher Sprache eine Queste durch die Probleme
der Gegenwart, die Stephenson vielfach an kleineren Geschichten, Einschüben, an
den Haltungen seiner Protagonisten aufzeigt und weniger in einem krachenden
Action-Spektakel stattfinden lässt.
Fazit
"Was kommt als Nächstes?" - "Weitere Details, weitere
Verknüpfungen. Aber erstmal eine kleine Fahrt mit der Bimmelbahn".
Was im Buch selbst eine Szene kennzeichnet, in der eine andere Form des
Treibstoffes für Maschinen eingeführt wird, kann zugleich wie eine Blaupause
der Struktur des Thrillers dienen. Viele Details ergeben am Ende ein großes
Ganzes und eine sehr anregende Lektüre, die aber eben in mancherlei Abschnitten
gerne in aller Ruhe wie ein langsamer Zug ihre Fahrt bestreitet.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Januar 2024 2024-01-08 16:33:43