Klaus Heimann schildert in diesem Roman ein Frauenschicksal in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Klaus Heimann hat sich zum zweiten Mal an einen
historischen Stoff gewagt, dessen Grundlagen in seiner eigenen Familie
begründet sind.
Lina kommt als Tochter eines Kleinbauern zur Welt und muss im Alter von dreizehn
Jahren die Rolle der Frau im Haushalt übernehmen, nachdem ihre Mutter an der
Spanischen Grippe kurz nach dem Ersten Weltkrieg verstorben war. Nachdem ihr
Vater eine neue Frau nahm, musste Lina zur Arbeit an einen zehn Kilometer
entfernten Hof im Nachbardorf. Täglich musste sie den Arbeitsweg zu Fuß
zurücklegen.
Als ihre Tante dafür sorgte, dass Lina die große Stadt Essen kennenlernen
darf, wird diese mit einer Welt konfrontiert, die sie sich nie hatte vorstellen
können. Doch auch, nachdem sie den Mann fürs Leben, ihren Jungen, traf und ihn
heiratete, wurde ihr Leben nicht leichter.
Klaus Heimann berichtet aus dem Leben von Lina, die ihr ganzes Leben der Familie
gewidmet hatte, schwere Schicksalsschläge hinnehmen musste und doch nie aufgab,
bis zu dem Punkt, der nicht mehr in ihrer Hand lag. Er hat die Biografie seiner
Großmutter stark fiktionalisiert, um den Weg einer starken Frau zu beschreiben,
die den Schicksalsschlägen trotzte. Die Figur wurde fiktionalisiert, weil sie
stellvertretend stehen sollte für viele weitere Frauen in dieser Zeit, denen es
ähnlich erging. Die Fiktion liegt weniger in den Tatsachen, die der Autor aus
der Familienerinnerung rekonstruieren konnte, als auf das Denken, Sprechen und
Handeln der Frau, die er nicht mehr persönlich erleben durfte. Doch umso
interessanter ist der von Lina beschrittene Weg. Wie sie allen Hindernissen
begegnet und mit ihnen umgeht, ist spannend und man kann diese Biografie kaum
aus der Hand legen. Zu erfahren, was mit der Protagonistin noch passieren wird,
treibt einen um.
Doch es gibt einen Punkt, den ich eher als störend empfand. Wenn die Biografie
der starken Frau Lina zu einem spannenden Roman fiktionalisiert wird, dann haben
Fußnoten, die den Lesefluss des Lesenden unterbrechen, darin nichts zu suchen.
Es gibt vielerlei Möglichkeiten für einen Autor, die in Fußnoten gepackten
Informationen in den normalen Text zu integrieren. In einem Roman kann alles
erklärt werden, auch Wörter, die ein Leser vielleicht zum ersten Mal liest.
Das betrifft nicht nur die wenigen plattdeutschen Sätze.
Besonders schön hingegen hat mir der allgemeine Aufbau des Romans gefallen. So
beginnt und endet die Geschichte, indem das Haus über seine Bewohner erzählt.
Das ist gut gemacht. Und auch die Besuche der Schwestern in dem Haus, in dem
Lina lebte, geben eine Möglichkeit zum Innehalten und Reflektieren aus einem
Zeitpunkt heraus, der weit nach der Geschichte von Lina liegt.
Fazit
Der Roman »Lina« ist ein lesenswerter Roman um ein Frauenschicksal, wie es
unzählige in der damaligen Zeit gab. Frauen, die zwei Weltkriege lang für ihre
Familien da waren, trugen ein besonderes Schicksal und mussten einen neuen Weg
finden, um das Leben zu meistern und Entscheidungen zu treffen.
Diese Geschichte habe ich sehr gerne gelesen und empfehle sie wärmstens.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 13. September 2023 2023-09-13 16:51:00